Access to Justice durch Legal Tech
Generiert mit Microsoft Copilot
Ohne Zugang zum Recht bleibt der Rechtsstaat ein leeres Versprechen. Nur wenn Rechte auch durchgesetzt werden können, entfalten Sie ihren Gewährleistungsinhalt für den Einzelnen.
I. Recht auf einen Zugang zum Recht?
Nicht überraschend ist der Zugang zum Recht deswegen an verschiedener Stelle (grund-)rechtlich garantiert. Auf europäischer Ebene garantiert die Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Art. 47 GRC das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein unparteiisches Gericht. Wer dafür nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, hat zudem Anrecht auf Prozesskostenhilfe, sofern dies nötig ist, um den Zugang zu Gerichten wirksam zu gewährleisten. In Deutschland ist die rechtliche Gewährleistung eines Zugangs zum Recht etwas komplizierter. Zunächst gewährt Art. 103 Abs. 1 GG Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht. Der Gewährleistungsinhalt dieses Grundrechts unterscheidet sich jedoch zu dem des Art. 47 GRC, denn es umfasst nur den Anspruch auf rechtliches Gehör im Gerichtsprozess selbst, nicht den Zugang zum Gerichtsprozess selbst. Ein Recht auf einen solchen Zugang zu gerichtlicher Überprüfung enthält in Deutschland hingegen die Garantie des „effektiven Rechtsschutzes“ in Art. 19 Abs. 4 GG. Demnach steht der Rechtsweg für jedermann offen, der durch einen Akt der öffentlichen Gewalt verletzt wird. Dies betrifft jedoch nur das Verhältnis von Bürger und Staat. Bei anderen (zivil-)rechtlichen Streitigkeiten hingegen ergibt sich der Anspruch auf einen Zugang zum Recht hingegen aus dem sog. „Justizgewährleistungsanspruch“, welchen das Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung entwickelt hat. Demnach folgt aus dem staatlichen Gewaltmonopol und dem Rechtsstaatsprinzip die Pflicht des Staates, den Bürgern bei Verletzung ihrer Rechte den Zugang zu Rechtsschutz zu ermöglichen. Daneben gibt es noch die sog. Prozessgrundrechte, die spezielle Recht in Bezug auf das Gerichtsverfahren selbst normieren. Beispielsweise jedermann das Recht auf einen gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und jeder Prozessbeteiligte hat aus Art. 103 Abs. 1 GG ein Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, also im Gerichtsprozess selbst. Der Zugang zum Recht ist also in Deutschland (grund-) rechtlich verbürgt. Doch kann er auch von allen Bürgern in der Realität bei Rechtsverletzungen wahrgenommen werden und wenn nicht, was sind die Ursachen dafür?
II. Access to Justice und Unmet Legal Needs
In Zusammenhang mit dieser Frage wird oft der Begriff „Access to Justice“ verwendet. Darunter versteht man zunächst den Zugang zu Gerichten, also die Möglichkeit, seinen Anspruch vor Gericht durchzusetzen. Im anglo-amerikanischen Raum wird „Access to Justice“ aber von je her weiter aufgefasst. „Access to Justice“ meint wortwörtlich den Zugang zu Recht und Gerechtigkeit. Damit sind auch informellere Streitschlichtungsmaßnahmen als Gerichtsverfahren erfasst, wie zum Beispiel Schlichtungsverfahren vor Verbraucherschutzsstellen oder der europäische Ombudsmann. Auch der Begriff „Access“ muss daher weit ausgelegt werden. Nicht nur die theoretische Möglichkeit der Anspruchsdurchsetzung muss gegeben sein, sondern die tatsächliche Gelegenheit sein Rechtsziel, über welchen Weg auch immer, zu verfolgen. Zugang meint daher nicht nur den ersten Schritt, sondern den gesamten Prozess. In den USA und Großbritannien ist in diesem Zusammenhang zudem der Begriff der „Unmet Legal Needs“ weit verbreitet. In regelmäßigen Studien wird überprüft, inwieweit Betroffene ihre Rechtsansprüche tatsächlich durchsetzen und welche ihrer Rechtsdurchsetzungsbedürfnisse nicht befriedigt werden. Dies ist keine rein rechtliche Analyse; die Frage ist vielmehr auch sozialwissenschaftlicher Natur. Denn was den Menschen den Zugang zum Recht verwehrt, ist nicht notwendigerweise eine konkrete rechtliche Norm, sondern Hindernisse wie finanzieller und zeitlicher Aufwand einerseits, und mangelnde Kenntnisse ihrer Rechte, mangelnde Barrierefreiheit und geringes Vertrauen in das Rechtsystem andererseits. Auch wenn in Deutschland die Forschung zu „Unmet Legal Needs“ noch in den Kinderschuhen steckt, liegt es nahe, dass auch hier der Zugang zum Recht stark von den individuellen Ressourcen des Rechtssuchenden abhängig ist.
III. Verbesserung durch Legal Tech?
Wie kann Legal Tech nun den „Access to Justice“ herstellen oder verbessern?
Zugang zum Rechtssystem
Oft scheitert der Zugang zum Recht schon damit, einen entsprechenden Ansprechpartner zu finden. Hier setzen verschiedene Plattformen an, die sich auf die Vermittlung von Rechtssuchenden und Anwälten spezialisiert haben. Ähnlich zu bekannten Online-Vergleichsportalen kann die rechtssuchende Person hier ihr Anliegen schildern und bekommt schnell und ohne besondere Hürden eine vorläufige Rechtsberatung durch einen Anwalt bzw. wird an einen solchen vermittelt.
Erleichterte Rechtsdurchsetzung
Doch selbst wenn die Personen ihre Rechte kennen, kann der Zugang zum Recht scheitern. Insbesondere im Verbraucherbereich bestehen häufig Ansprüche nur in geringer Höhe von wenigen hundert Euro. Bei einer Durchsetzung auf „klassischen“ Wege durch Beauftragung eines Rechtsanwalts vor Gericht steht der finanzielle und zeitliche Aufwand in kein Verhältnis zu dem erhofften Erfolg, sodass oftmals von einer Durchsetzung der Rechte abgesehen wird. Hier setzen Legal Tech-Plattformen wie Flightright an. Flightright ermöglicht es Fluggästen Entschädungen, die wegen Verspätungen, Ausfällen und Umbuchungen entstanden sind, einfach geltend zu machen. Sie beauftragen Flightright den Anspruch für sie durchzusetzen; Flighright behält dafür im Erfolgsfall einen Teil des Geldes. Sollte das Verfahren keinen Erfolg haben, dann kostet dies den Kunden nichts. Damit ist die Schwelle des Zugangs zum Recht wesentlich niedriger, als wenn ein potentieller Antragsteller den Gang zum Anwalt für eine (kostenpflichtige) Erstberatung wagen müsste, oder gar selbst Schriftsätze schreiben müsste. Der Vertrag mit Flightright selbst kann im Internet geschlossen werden. Der zeitliche und finanzielle Vorteil ist offensichtlich.
Recht als DoItYourself
Während diese beiden Aspekte den Zugang zum Rechtssystem selbst betreffen, setzen andere Legal Tech-Lösungen schon im Vorfeld des Rechtssystems an. Diese Lösungen kann man, salopp formuliert, als Recht als „DoItYourself“ beschreiben. Hier wird den Nutzern, Verbraucher oder kleinere Unternehmen ohne Rechtsabteilung, etwa die Erstellung von individualisierten Verträgen und Formularen ermöglicht. Dabei wählt der Nutzer das benötigte Formular, etwa für Eheverträge, Testamente oder Geschäftsverträge selbst aus und wird durch geeignete Fragen und Erklärungen bei der Anpassung der Formulare an die konkrete Situation unterstützt. Dadurch wird der Zugang zu rechtlichen Dokumenten erleichtert, gerade bei unkomplizierteren Sachverhalten, bei denen sich die Hinzuziehung eines Anwalts zuvor nicht gelohnt hätte.
IV. Fazit
Legal Tech kann dabei helfen Access to Justice zu gewährleisten, entweder dadurch, dass Technologie Gerichtsverfahren unterstützt und zu einem gerechten Ergebnis führt und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör im Justizsystem wahr. Gleichzeitig bietet Legal Tech die Möglichkeit, Betroffenen einen Zugang zum Recht überhaupt erst möglich machen oder die Hemmschwellen, einen Anspruch durchzusetzen, zu senken. Gleichzeitig stellt sich dabei Frage, inwieweit das staatliche Monopol der Rechtpflege und der streng regulierte Anwaltsberuf aufgebrochen werden können und sollen, um mehr Zugang zu gewährleisten und aber gleichzeitig keine neuen Benachteiligungen zu schaffen. Denn Legal Tech kann Access ermöglichen – kann ihn aber genauso verwehren, etwa wenn ohne Legal Tech-Lösungen ein Zugang zum Recht nicht mehr möglich ist und diese nur bestimmten Personengruppen zur Verfügung stehen. Mit der hierum kontrovers geführten Debatte werden wir uns später beschäftigen. Insgesamt lässt sich aber zusammenfassen: Legal Tech kann ein, wenn auch nicht der einzige, Baustein zur Verbesserung des Access to Justice und der Behebung von Unmet Legal Needs sein.
V. Quellen und Literaturhinweise:
- https://edinburghuniversitypress.com/pub/media/resources/9781474473880_Technology_Innovation_and_Access_to_Justice_-_Introduction.pdf
- https://fra.europa.eu/en/theme/access-justice
- https://www.stillmantranslations.com/the-future-of-legal-tech-equal-access-to-justice-and-a-reinvented-lawyer/
- https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/0424_Abschlussbericht_Eingangszahlen_Zivilgrichte.html