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Dossier: Überblick Legal Tech Geschäftsmodelle

Überblick über die verschiedenen Geschäftsmodelle

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Legal Tech beschreibt u.a. Rechtsdienstleistungen, die mithilfe smarter Software teilautomatisiert erbracht werden – so viel haben wir bereits gelernt. Nun also von der Theorie zur Praxis: In welcher Form nutzen Unternehmen schon heute die Vorzüge moderner Technik bei im weitesten Sinne “rechtsberatender Tätigkeit”? Zur Einleitung in unser Modul 2 “Legal Tech in der Praxis” folgt ein kleiner Überblick über den Stand des Legal-Tech-Marktes 2022.

Der Legal Tech Markt lässt sich in verschiedene Kategorien einordnen, die mittlerweile alle mehrere Anbieter und Konkurrenten haben. Hier sind beispielhaft einige Geschäftsmodelle und praktische Beispiele genannt, die aufzeigen, wie vielfältig der Markt ist und in welchen Gebieten Legal Tech bereits heute zum Einsatz kommt. Die einzelnen Geschäftsmodelle werden dabei anhand ihrer bekanntesten Vertreter vorgestellt. Zu den aktuellen und vergangenen rechtlichen Streitigkeiten bezüglich der einzelnen Geschäftsmodelle finden sich weitere Ausführungen im Dossier Rechtssprechungsübersicht.

A. Prozesskostenfinanzierte Inkassodienstleister

I. Problem der Nichtgeltendmachung von Verbraucheransprüchen

Im Bereich des Verbraucherrechts existieren eine Vielzahl von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen. Diese sind jedoch meist von nur geringer Höhe und ihre Einforderung gestaltet sich für den Verbraucher oder die Verbraucherin als schwierig, da die Unternehmen auf (private) Anschreiben mit Zahlungsaufforderungen meist nicht reagieren. In der Regel führt erst eine anwaltliche Aufforderung oder sogar erst die (gewonnene) Klage zu einer Zahlung. Jedoch lohnt sich die Mandatierung eines Anwaltes oder einer Anwältin wirtschaftlich nicht: die Kosten erreichen leicht die Höhe der angestrebten Entschädigung oder übersteigen diese sogar. Unterliegt der Verbraucher vor Gericht, muss er gar die vollen Kosten tragen. Aufgrund des Kostenrisikos und des Missverhältnisses zwischen Anspruchshöhe und Aufwand setzen Privatpersonen die ihnen zustehenden Ansprüche nicht durch, selbst wenn sie vom Bestehen des Anspruchs Kenntnis haben.

II. Durchsetzung von Ausgleichsansprüchen mittels flightright

Ein solche Regime an Ausgleichsansprüchen von Verbrauchern bildet beispielsweise die Fluggastrechte-Verordnung, die ab einer gewissen Verspätungszeit von Flügen Entschädigungen zu festen Sätzen vorsieht. Die Entschädigungen betragen zwischen 250 € und 600 €. Diese werden aus den obigen Gründen jedoch nur selten von Verbrauchern durchgesetzt. Eine Lösung hierfür bietet der Anbieter Flightright. Die Betroffenen können bei Flightright kostenfrei ihre Flugdaten eingeben und mit einer Datenbank abgleichen lassen. So findet flightright – kostenfrei – heraus, ob ein Schadensersatzanspruch besteht. Dann kann der Kunde entscheiden, ob er Flightright mit der Durchsetzung seiner Rechte beauftragt. Die Klagekosten und das Klagerisiko werden dabei von Flightright übernommen. Verliert Flightright die Klage, zahlt der Kunde oder die Kundin nichts; gewinnt Flightright, erhalten die Kunden und Kundinnen ihre Entschädigung. Flightright behält von der gewonnenen Entschädigung 20-30% Erfolgsprovision. Wirtschaftlich ist es also für die Betroffenen mehr als sinnvoll, Flightright zu beauftragen: Sie können nur gewinnen. Nach eigenen Angaben setzte Flightright bis zum Jahre 2024 so bereits Entschädigungen im Wert von 430 Millionen Euro durch (Quelle: flightright.com).

III. Rechtliche Gestaltung der Inkassolizenz

Flightright arbeitet rechtlich gesehen mit einer sogenannten Inkassolizenz. Dabei lässt sich Flightright die Ansprüche der Kunden und Kundinnen abtreten und fordert diese dann für sie ein. Rechtlich gesehen klagt Flightright also nicht eine fremde Forderung ein, sondern eine eigene, die flightright von den Kunden oder Kundinnen übertragen bekommen hat. Für diese Dienstleistung wird Flightright nur im Erfolgsfall – also bei durchgesetztem Anspruch – in Form der Erfolgsprovision bezahlt. Damit geht Flightright völlig anders vor als z.B. eine Kanzlei: eine Kanzlei fordert fremde Ansprüche ein und unterliegt auch anderen, weitergehenden berufsrechtlichen Regeln. Anwälte und Anwältinnen dürften z.B. nur in engen Grenzen auf Basis von Erfolgshonoraren tätig werden, so wie es flightrights Geschäftsmodell ist, oder Fremdkapital ansammeln. Daraus ergeben sich auch schon die rechtlichen Probleme: Ist das, was Flightright hier tut, den Aufgaben eines Anwalts oder einer Anwältin nicht so ähnlich, dass für das Unternehmen dieselben strengen Vorschriften gelten müssten? (Ausführlicher zu dieser Problematik und den damit verbundenen Gerichtsverfahren im Dossier „Rechtsprechung“ und Legal Tech und Berufsrecht).

IV. Erfolgsprovisionen als Geschäftsmodell

Das Geschäftsmodell von flightright basiert auf der relativ leichten Prüfbarkeit von Ansprüchen aus der Flugastrechte-Verordnung und der damit zusammenhängenden Möglichkeit, solche Ansprüche in großen Zahlen geltend zu machen. Die Ansprüche aus verspäteten Flügen richten sich nach klar definierten Kriterien und haben festgelegte Entschädigungshöhen. Das Vorliegen der Voraussetzungen kann dabei gut automatisiert werden (in Verbindung mit Datenbanken über aufgezeichnete Flüge), eine rechtliche Prüfung des einzelnen Sachverhalts ist häufig nicht mehr erforderlich. Dadurch kann Flightright (und die mit ihnen verbunden Anwälte und Anwältinnen) sehr viele Ansprüche gleichzeitig geltend machen, wodurch auch die verhältnismäßig geringen Erfolgsprovisionen (geringe dreistellige Summen) wirtschaftlich interessant werden. Legal Tech wird dabei gezielt zur Kundenanwerbung, Bewertung der Ansprüche und zur Unterstützung bei deren Einforderung eingesetzt. Zusätzlich verstärkt wird dies durch die Möglichkeit der Prozessfinanzierung. Flightright übernimmt das Klagerisiko (welches durch die klare Rechtslage gut einschätzbar ist) und erhält dafür eine höhere Provision. Zugleich steigt die Attraktivität für den Kunden oder die Kundin, da er „nichts zu verlieren hat“. Die wenigen gescheiterten Klagen können dabei durch die erfolgreichen Klagen querfinanziert werden.

V. Ähnliche Angebote

Es existiert eine Vielzahl von ähnlichen Angeboten, etwa im Bereich der Rückforderung von Mitgliedsbeiträgen bei corona-bedingten Schließungen (Fitness-Studio-Erstattung.de) oder zu hoher Mieten (conny.de, früher bekannt als weniger-miete.de). Auch für die Forderung von Abfindungen im Kündigungsfall oder für Ansprüche aus dem VW-Abgasskandal existieren solche Angebote. Ihnen allen ist gemein, dass die Ansprüche meist relativ klar strukturiert und leicht zu prüfen sind, jedoch meist eine zu geringe Höhe aufweisen und deswegen meist nicht auf dem „klassischen“ Weg rechtlich verfolgt werden. In neuerer Entwicklung wird auch Künstliche Intelligenz eingesetzt, um kompliziertere Ansprüche automatisiert zu prüfen (siehe https://www.claimscore.ai/). Die prozessfinanzierten Inkassodienstleister setzen hierbei auf die große Masse solcher Verfahren, die sie mithilfe von Legal-Tech bewältigen. Sie übernehmen das Kostenrisiko eines möglichen Prozesses und senken so die Hemmschwelle des Verbrauchers zur Geltendmachung seiner Forderungen, erhalten im Gegenzug jedoch durchaus prozentual hohe Provisionen an der gesamten Anspruchssumme (zur Problematik der Inkasso-Sammelklagen vgl. unser Dossier zur aktuellen Rechtsprechung).

B. Dokumentenerstellung

I. Bedarf an Verträgen und juristischen Dokumenten

Verbraucher und Verbraucherinnen sehen sich oftmals damit konfrontiert, dass sie Verträge und juristische Dokumente aus dem Alltag benötigen, dafür aber nicht auf die anwaltliche Beratung angewiesen sein wollen, die einerseits die Vereinbarung eines Termins und einiges an Zeit vereinnahmt, andererseits aber auch Kosten verursachen kann, vor denen einige Verbraucher und Verbraucherinnen3 zurückschrecken. Dies gilt umso mehr, wenn sie „nur“ Bedarf an Standarddokumenten im privaten Bereich haben, wie z.B. Kaufverträgen, Vollmachten, Miet- und Leihverträgen oder auch Vorlagen und Orientierungspunkte für die wirksame Errichtung eines Testaments.

II. Vertragsdokumentengenerator von smartlaw

Eine Lösung in Form einer automatisierten und personalisierten Dokumentenerstellung stellt hierfür beispielsweise die Plattform SmartLaw mit ihrem Vertragsdokumentengenerator bereit. SmartLaw bietet dabei Vertragsmuster für viele Bereiche, etwa Mietverträge, Gesellschafterverträge oder Arbeitsverträge an. Der Verbraucher oder die Verbraucherin kann diese durch Beantwortung eines leichten Frage-Antwort-Katalogs individualisieren, ohne selbst juristische Fachkenntnisse zu benötigen. So erhält er oder sie einen individualisierten, juristisch korrekten Vertrag, ohne auf eine anwaltliche Beratung angewiesen zu sein. Die Verträge und Vorlagen werden gleichzeitig immer auf dem aktuellen Stand der Rechtsprechung gehalten und es wird eine Benachrichtigung verschickt, wenn sich aufgrund einer Rechtsprechungs- oder Gesetzesänderung Änderungsbedarf an dem Vertrag ergibt.

III. Automatisierte Dokumentenerstellung keine Rechtsberatung

Rechtlich ist das Angebot von smartlaw nicht als Rechtsdienstleistung oder Rechtsberatung einzuordnen. Dies wurde inzwischen auch höchstrichterlich bestätigt (dazu mehr im Dossier Rechtssprechungsübersicht). Wesentlicher Anknüpfungspunkt ist, dass keine rechtliche Einzelfallbewertung durch das Unternehmen stattfindet, wie sie für das Vorliegen einer Rechtsdienstleistung nach dem RDG erforderlich wäre (s. dazu unser Dossier zu Legal Tech und dem Berufsrecht).

IV. Abonnements als Geschäftsmodell

Das Geschäftsmodell von smartlaw beruht auf einem Abomodell. Der oder die Nutzende kann je nach Bedarf zwischen verschiedenen Paketen (etwa Familie&Privates, Vermieten & Immobilien oder Business-Premium) wählen und erhält dementsprechend Zugriff auf bestimmte Vertragsmuster. Darüber hinaus erhält er oder sie Zugang zu einer Wissensdatenbank mit rechtlichen Tipps und Erklärungen. Will der oder die Nutzende die Verträge bei smartlaw speichern und bei Rechtsänderungen benachrichtigt werden, muss er das Abo dauerhaft nutzen.

V. Ähnliche Angebote

Ein ähnliches Angebot existiert in Form von Aboalarm für die Erstellung individualisierter Kündigungen und Widerrufserklärungen. Hier wird den Nutzenden zugleich über anstehende Kündigungsfristen benachrichtigt und kann seine Kündigungen auch über den Anbieter per Post oder Fax verschicken lassen. Diesen Komfort bezahlen die Nutzenden mit einer geringen Gebühr (5 – 10€), die Erstellung einer Kündigung im PDF-Format ist kostenlos. Aboalarm.de übernimmt dabei sogar die Gerichtskosten bei einer erfolgslosen Kündigung bzw. die Kosten des weiterlaufenden Vertrags. Andere Anbieter wie deinadieu.de sind auf das Erbrecht und die Gestaltung der Vermögensnachfolge durch individualisierte Testamentvorlagen, die dann abgeschrieben werden können, spezialisiert. Hier können einzelne Dokumentenvorlagen ebenfalls zu einem Festpreis erworben werden. Im amerikanischen Rechtsmarkt konnte der Dienstleister für die Generierung und das Management von Verträgen “Ironclad” bereits große Verbreitung erzielen.

C. Vermittlung anwaltlicher Beratung

I. Die Probleme der Anwaltssuche

Die Suche nach einem geeigneten Anwalt oder einer geeigneten Anwältin gestaltet sich für einen Verbraucher oder eine Verbraucherin oft als schwierig. Einerseits ist der Anwaltsmarkt stark fragmentiert und in Teilen hochspezialisiert. Dem einzelnen Verbraucher oder der einzelnen Verbraucherin fehlt der Durchblick, welches Anforderungsprofil für seinen oder ihren Fall erforderlich ist und welche Kanzlei dies ihm oder ihr bieten kann. Andererseits ist der erste Gang zu einem Anwalt oder einer Anwältin für einen unerfahrenen Verbraucher oder eine unerfahrene Verbraucherin aufwendig und mit vielen Fragen behaftet. Ist die ausgesuchte Kanzlei kompetent und vertrauenswürdig? Ist die Erstberatung kostenlos oder kostenpflichtig? Wie kann ein Termin vereinbart werden? Der Anbieter Advocado will die Verbraucher und Verbraucherinnen bei der Anwaltssuche unterstützen.

II. Vermittlung anwaltlicher Beratung als Lösung

Advocado ist sozusagen das Amazon für den Rechtsmarkt. Als Online-Marktplatz hilft Advocado Rechtsratsuchenden, den passenden Anwalt oder die passende Anwältin zu finden. (Un)Zufriedene Kunden und Kundinnen können für die einzelnen Vertragsanwälte und -anwältinnen Bewertungen hinterlassen, an denen die nachfolgenden Kunden und Kundinnen dann ihre Auswahl orientieren können.

Advocado bietet einen kostenlosen Erstberatungsservice. Der Kunde oder die Kundin schildert seinen Fall, fügt ggf. relevante Unterlagen bei und lädt das Ganze dann hoch. Innerhalb von zwei Stunden meldet sich dann ein Anwalt oder eine Anwältin bei ihm oder ihr, der oder die eine Erstberatung vornimmt, also eine erste Einschätzung der Lage präsentiert und die weiteren Handlungsoptionen darstellt. Anschließend kann der Anwalt oder die Anwältin ein Beratungsangebot zu einem Festpreis machen, welches der Kunde oder die Kundin annehmen oder ausschlagen kann. Erst im Fall der Annahme dieses Angebots kommen – kalkulierbare – Kosten auf den Kunden oder die Kundin zu.

III. Nur Vermittlung, keine eigene Beratung

Wie gezeigt arbeitet auch Advocado mit eigenen Partner-Kanzleien zusammen. Die Dienstleistung, die Advocado erbringt, ist so gesehen nichts genuin Rechtliches; sie besteht allein in der Vermittlung von Kunden an geeignete Anwälten und Anwältinnen. Die Garantie der schnellen Abwicklung und das kostenfreie Erstgespräch sind dabei wichtige Argumente, die die „Schwelle“, einen Anwalt oder eine Anwältin aufzusuchen, absenken.

IV. Gebühren als Geschäftsmodell

Advocado erhebt auf Anwaltsseite Gebühren für die Mandatsvermittlung und die Bereitstellung der digitalen Dienste, über die die Mandatskommunikation läuft. Diese betragen 25% der Transaktionssumme. Auf Kundenseite ist der Service kostenlos.

V. Ähnliche Angebote

Ein ähnliches Konzept verfolgt der Anbieter Advofleet, welcher sich selbst als „Digitale Kanzlei“ bezeichnet. Der Kunde oder die Kundin kann hier nach einer kostenlosen Erstberatung verschiedene Pakete nach gewünschtem Beratungsgegenstand und -umfang buchen (ähnlich wie in einem klassischen Onlineshop). Die Bearbeitung erfolgt über angestellte oder freie Anwälte oder Anwältinnen. Bei den freien Anwälten und Anwältinnen behält Advofleet einen Teil der Vergütung für die Mandatsvermittlung und die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur ein. Die Anwaltsvermittlung als technische Dienstleistung findet auch zunehmend ihren Platz in größeren Softwarepaketen, welche unternehmensinterne rechtliche Prozesse begleiten (siehe z.B. Legistify.com).

D. Externe Rechtsdienstleister für Unternehmen inkl. Softwarelösungen

I. Bedarf rechtlicher Lösungen im Unternehmenssektor

In vielen Bereichen ist es inzwischen auch für kleine Unternehmen unumgänglich, rechtliche Lösungen zu erarbeiten, etwa im Datenschutzbereich. Gerade kleine Unternehmen besitzen aber meist keine Rechtsabteilung, die Beauftragung eines Anwalts oder einer Anwältin ist kostenintensiv.

II. Software und externe Beratung als Lösung

Anbieter wie datenschutzexperte.de oder dataguard.de bieten Datenschutzlösungen für Unternehmen im B2B-Bereich an. Das Angebot besteht aus einer Software, einem Datenschutzmanagement-System sowie der Beratung durch diverse Experten und Expertinnen und wird als einheitliches Konzept vermarktet und verkauft, um Unternehmen die Einhaltung der DSGVO- und Compliance-Regelungen zu erleichtern („Datenschutz as a service“). Neben dem Stellen der Software und der juristischen und weiteren Beratung können auch externe Datenschutzbeauftragte vermittelt werden.

III. Keine rechtliche Beratung

Diese Anbieter bieten genau genommen keine Rechtsdienstleistungen an, sondern bieten lediglich Softwarelösungen bzw. Unternehmensberatung an, ohne im Einzelfall rechtliche Beratungen durchzuführen. Deswegen sind sie nicht von den Einschränkungen des RDG betroffen. Sobald dies der Fall wäre, vermitteln sie ihre Kunden oder Kundinnen an verbundene Anwaltskanzleien weiter.

IV. Abo als Geschäftsmodell

Auch hier wird meist auf ein Abomodell zurückgegriffen. Die Preise richten sich dabei nach Umfang des Pakets (etwa ohne oder mit Beratung).

V. Ähnliche Angebote

Für Start-Ups und Unternehmen, die sich keine eigene Rechtsabteilung leisten können oder wollen, gibt es auch Legal-Tech Angebote wie raketenstart.de, die nicht nur Legal Tech Tools zur Einhaltung der Compliance-Richtlinien und der Erstellung von Verträgen anbieten, sondern ein Komplettpaket schnüren mit Schulungen, Tools und digitaler Beratung im Einzelfall durch Vermittlung von Partneranwälten und -anwältinnen. Das Angebot ist auf Gründer und Gründerinnen ausgelegt und bietet einen Überblick und Tools für alle gängigen Rechtsfragen während und nach der Gründung. Im Falle der DSGVO Compliance gibt es auch den Trend, zentralen Rechtsvorschriften (wie etwa die technische Umsetzung des Dialogs der Einwilligung zur Datenverarbeitung nach Art. 7 DSGVO) automatisch per Drittanbieter-Plugin gerecht zu werden (z.B. das WordPress Plugin CookieYes).

I. Unfallabwicklung als Stressfaktor

Plötzlich auftretende Ereignisse wie Autounfälle erzeugen bei den Beteiligten großen Stress. Selbst bei geringfügigen Schäden muss eine Vielzahl von verschiedenen Dingen (Gutachter/Anwalt, Reparatur, Mietwagen, Kontakt mit Versicherung etc.) organisiert werden. Zugleich wird der Verbraucher oder die Verbraucherin hier meist mit einer undurchsichtigen Rechtslage konfrontiert (Welche Kosten übernimmt die Versicherung? Wer trägt die Schuld des Unfalls?) Viele Verbraucher und Verbraucherinnen sind hiervon überfordert.

II. Unfallabwicklung als Service

Unfallhelden.de bietet deswegen eine komplette Abwicklung des Unfalls aus einer Hand an. Der oder die Nutzende muss den Unfall nur online oder telefonisch melden, der Anbieter übernimmt die komplette Organisation der einzelnen Sachen.

III. Geltendmachung der Kosten gegenüber der gegnerischen Versicherung

Bezüglich der Kosten muss zwischen dem Service von unfallhelden.de selbst und den Kosten und Honoraren der beauftragten Dienstleister unterschieden werden. Unfallhelden.de finanziert sich komplett aus Provisionen der vermittelten Dienstleister, der Service bleibt für den Kunden oder die Kundin immer kostenlos.

Die Kosten und Honorare werden jedoch nur dann übernommen, wenn der Kunde oder die Kundin selbst augenscheinlich nur eine geringe Teilschuld an dem Unfall hatte. In diesem Fall übernimmt im Nachgang die gegnerische Versicherung bzw. der Unfallgegner die Kosten, unfallhelden.de übernimmt dabei die Geltendmachung der Ansprüche, der Kunde oder die Kundin bleibt außen vor. Hat dieser jedoch die Hauptschuld am Unfall, muss er oder sie von Beginn an die Rechnungen von Anfang an selbst beglichen werden oder über die eigene Vollkaskoversicherung abgerechnet werden. Sollte die Ersteinschätzung aber bei wahrheitsgemäßen Angaben positiv verlaufen und die kostenlose Übernahme vereinbart werden, so übernimmt das Unternehmen den Kostenanteil auch dann, wenn sich später durch Anwälte, Gutachter oder Werkstatt ein leicht anderes Ergebnis zeigt, das nicht absehbar war.

IV. Reine Vermittlungstätigkeit

Der Service von Unfallhelden.de beschränkt sich auf die Vermittlung der Werkstätten und Anwälten. Zwar macht der Anbieter die daraus resultierenden Ansprüche gegenüber dem Unfallgegner oder der Unfallgegnerin bzw. seiner oder ihrer Versicherung geltend, ein Prozess wird aber nicht unterstützt. Verweigert die Gegenseite die Begleichung der entstandenen Schäden, muss der Kunde oder die Kundin auf eigenes Risiko die Summe einklagen oder diese selbst begleichen.

V. Ähnliche Angebote

Ein ähnliches Angebot der Finanzierung von Serviceangeboten durch Legal Tech existiert inzwischen bei filgtright.de in Form der „Flightright First Class“. Hier organisiert Flightright.de bei verpassten Anschlussflügen, Flugverspätungen oder Flugausfall einen für den Kunden oder die Kundin kostenlosen Ersatzflug (auch bei einer anderen Fluglinie). Im Gegenzug tritt der Kunde oder die Kundin sämtliche Ansprüche aus dem ausgefallenen Flug an Flightright.de ab. Die Erlöse aus diesen Ansprüchen sollen dann auch die Ersatzflüge querfinanzieren, bei denen keine Ansprüche entstanden sind (etwa bei einem Ausfall aufgrund höherer Gewalt). Wird kein Ersatzflug in Anspruch genommen, macht Flightright die Ansprüche des Kunden oder der Kundin kostenlos geltend bzw. setzt diese zu einer verminderten Flugprämie durch.

Zugang zu diesem Angebot erhält der Kunde oder die Kundin dabei über eine jährliche Mitgliedschaft. Dabei kann er zwischen verschiedenen Paketen wählen, die sich im Wesentlichen nach der Anzahl der abgesicherten Flüge unterscheiden.

Abgesehen von oben genannten Angeboten gibt es noch viele mehr, die sich der Erleichterung juristischer Arbeit im Unternehmen verschrieben haben und gewissermaßen „Softwarelösungen für Juristen und Juristinnen“ und Kanzleien anbieten, z.B. busylamp, Legal OS und lecare oder im Recruiting-Bereich legalhead. Ihre Relevanz ist aber im Gegensatz zu oben diskutierten Beispielen eher branchenintern und damit für Nicht-Juristen und -juristinnen weniger interessant. Auch im Justizbereich wird zur Unterstützung von Richtern und Richterinnen an Legal Tech Anwendungen mit dem Einsatz von KI gearbeitet, so z.B. JustizMemoria von IBM. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Teile der juristischen Arbeit automatisieren, aber immer juristisch ausgebildetes Fachpersonal die „letzte Entscheidung“ trifft. Es handelt sich also dabei aktuell nur um reine Assistenzsysteme.

Neben klassischen Softwarelösungen wird im Legal Tech Bereich auch zunehmend der Trend der “Large Language Models” zur Unterstützung juristischer Arbeit aufgegriffen. Auf dem amerikanischen Rechtsmarkt gilt das Startup “Harvey AI” durch die enge Zusammenarbeit mit OpenAI als besonders vielversprechend. Hierbei werden technisch regelmäßig die leistungsfähigen Basismodelle der großen KI Entwicklungstudios (OpenAI, Google, Meta, Mistral) durch ein zweiten Trainingsschritt (dem sogennanten “Finetuning”) spezifisch für die Rechtsbranche angepasst und etwa mit domänenspezifischen Rohdaten aus dem Rechtsbereich ausgestattet. Potenzial verspricht auch die Verknüpfung eines solchen Sprachmodells mit juristischen Literaturdatenbanken. So betreibt in Deutschland der Beck-Verlag bereits eine geschlossene Beta des “Beck-Chats“, bei der ein spezialisiertes Sprachmodell fähig ist, neben der Bereitstellung von juristisch fundierten Antworten auch auf Inhalte der Beck-Online Datenbank zu verweisen. Ebenfalls entwickelt der Beck-Verlag seinen BGB Kommentar durch das neue KI-Projekt "Frag den Grüneberg" weiter. Auch im Bereich der Justiz und öffentlichen Verwaltung existieren Anstrengungen, unterstützende Sprachmodelle einzurichten (Siehe F13-Assistent in der Baden-Württembergischen Verwaltung, Kooperation von Aleph Alpha und byte Bayern, Forschungsprojekt Generatives Sprachmodell der Justiz (GSJ))

G. Fazit

Obwohl auf dem Legal-Tech Markt inzwischen eine Vielzahl von verschiedenen Geschäftsmodellen existiert, sind einige Gemeinsamkeiten zwischen ihnen sichtbar.

Im Bereich außerhalb des Marktes für Rechtsanwender und -anwenderinnen fokussieren sich die Legal-Tech Angebote auf Rechtsbereiche mit hohen Fallzahlen mit vergleichbaren Sachverhalten und klarer Rechtslage. Dadurch ist die Bearbeitung der einzelnen Fälle hier mit wenig technischem Aufwand (teil)automatisiert bearbeitbar. Gleichzeitig wird versucht, die „Schwelle“ für den Verbraucher oder die Verbraucherin zur Inanspruchnahme von Rechtsberatung/ Rechtsdurchsetzung durch schnelle Vermittlung, benutzerfreundliche Bedienung und Erklärung und kostenlose Erstberatungen zu senken. Besondere Bedeutung kommt hierbei auch dem Instrument der Prozesskostenfinanzierung zu, wodurch aus Verbrauchersicht das Kostenrisiko eliminiert werden kann. Die aus den hohen Fallzahlen und der (teil)automatisierten Bearbeitung resultierenden Skalierungseffekte ermöglichen es, selbst bei den geringen Anspruchssummen/ Provisionen im Bereich des Verbraucherrechts wirtschaftlich lukrativ zu arbeiten.

Im Bereich des Marktes für Rechtsanwender und -anwenderinnen war früher vor allem die Digitalisierung und Optimierung der internen Kanzleiabläufe prägend. Es setzt sich aber auch hier zunehmend die Teilautomatisierung repetitiver und einfacher Aufgaben durch. Zudem verbreiten sich Instrumente der Datenerhebung und -auswertung. Trotzdem bleibt Legal Tech hier aktuell auf eng umgrenzte Aufgabenbereiche und auf reine Assistenzaufgaben beschränkt.

Die vollautomatisierte Bearbeitung komplexer Sachverhalte und automatisierte Rechtsanwendung (z.B. durch sog. Smartcontracts) wird zwar vielfach diskutiert, ist jedoch aktuell wenig bis gar nicht in der Praxis vorhanden. Hier bilden die unklare Rechtslage und die aufwändige technische Entwicklung und Umsetzung noch große Hürden. Dieser Bereich des Legal Tech befindet sich eher noch im Entwicklungsstadium, tragfähige Geschäftsmodelle haben sich noch nicht etabliert. Die Integrierung von Sprachmodellen als unterstützende Systeme in juristische Arbeitsabläufe schreitet hingegen langsam voran. So geben bereits etwa ein Viertel der von LexisNexis befragten Anwälte an, Tools wie ChatGPT für Arbeitszwecke zu verwenden. Diskutierte Anwendungsszenarien reichen hier von der Unterstützung bei der Recherche, der Analyse und Zusammenfassung von Dokumenten bis hin zur Generierung von Textvorlagen. Auch hier bleiben allerdings Fragen zur Legalität und Angemessenheit der Nutzung weitesgehend unklar. Im Detail eröffnet sich die schwerwiegende Problematik der Verarbeitung von Input- und Nutzerdaten, welche an solche Systeme gesendet werden und damit mitunter auf amerikanischen Servern verarbeitet sowie in einigen Fällen auch für das Training der Sprachmodelle wiederverwendet werden.


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