Einfuehrung

Die Geschichte von Legal Tech

Einführung in die Historie von Legal Tech

Bevor wir uns mit der Geschichte von Legal Tech befassen, soll hier kurz darauf eingegangen werden, was unter Legal Tech überhaupt zu verstehen ist. Nachdem Professor Heckmann zu dieser Frage bereits ein Video erstellt hat, soll hier nun mehr nur eine Grobzusammenfassung gegeben werden.

Dem Begriff kann man sich von verschiedenen Seiten nähern. Häufig sind “Definitionen” von Legal Tech mehr Beschreibung als Definition. Eine davon lautet zum Beispiel: „Technologieeinsatz mit juristischem Bezug“. Christina-Maria Leeb hat sich dem Thema in ihrer Dissertation ausführlicher gewidmet und dabei verschiedene Ansätze gefunden, nach denen sich Legal Tech beschreiben und auch kategorisieren lässt. Dadurch entsteht mehr Klarheit darüber, was den Begriff Legal Tech ausmacht.

Zunächst kann zwischen Legal Tech im engeren und im weiteren Sinne unterschieden werden. Legal Tech im weiteren Sinne erfasst dabei eher allgemeine Anwendungen von Technik im Recht wie zum Beispiel die automatisierten Erstellung von Rechtstexten oder auch die automatisierte Bearbeitung von einfach durchzuführenden Massenverfahren. Legal Tech im engeren Sinne bezieht sich dagegen mehr auf den Technologieeinsatz im Arbeitsumfeld eines Anwalts. Als Beispiele dafür könnte die automatisierte Rechtsberatung oder auch Anwalts-Chatbots genannt werden.

Des Weiteren lassen sich verschiedene Kernelemente von Legal Tech isolieren, wie Professor Heckmann im genannten Video darstellt. Diese sind:

  • Anwendungen zur Unterstützung der anwaltlichen Arbeit (z. B. Software zur Dokumentenverwaltung, Kanzleiverwaltung, Online-Datenbanken)
  • (Teil-)Automatisierung juristischer Arbeit in einzelnen Bereichen (z. B. Dokumentenanalyse-Tools, Vertragsgeneratoren oder Chatbots)
  • Plattformen zur Vernetzung von Anwälten untereinander oder mit Mandanten (z. B. Anwaltsmarktplätze, Kollaborationsnetzwerke)
  • Gesteigerter Zugang zum Recht durch Online-Rechtsdienstleistungen und innovative Geschäftsmodelle
  • Zunehmende Ersetzung rechtlicher Verfahren durch technische Verfahren, die rechtliche Prozesse (vollständig) abbilden

Es wird also ersichtlich, dass sich Legal Tech in vielen verschiedenen Formen zeigt und verschiedene Elemente und Aspekte in diesem Begriff vereinigt werden. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich Legal Tech, so wie es heute existiert, nicht aus einem einzelnen Entwicklungsstrang gebildet hat. Vielmehr gab es verschiedene Entwicklungen, die sich immer mehr angenähert haben, um schließlich Legal Tech zu bilden.

Im Folgenden sollen nun die zwei wohl wichtigsten dieser Entwicklungsstränge aufgezeigt und nachvollzogen werden. Diese überschneiden sich teils, haben jedoch nun in Legal Tech ein gemeinsames Konzept gefunden. So findet sich auf der einen Seite die eher akademisch geprägte Entwicklung von Rechtsinformatik, deren Ziel es war und ist juristische Probleme und Felder mit Hilfe von Informatik abzubilden und so zu verbessern. Auf der anderen Seite finden sich die technischen Mittel, die zur Unterstützung von Juristen eingeführt wurden. Legal Tech stellt dabei eine übergeordnete Kategorie dar, die häufig beide Aspekte verbindet.

Zu Beginn laufen beide Entwicklungsstränge parallel und überschneiden sich nicht notwendigerweise. Sie nutzen jedoch teils dieselben Techniken. Für beide war der wirkliche Anfang das Aufkommen der ersten, in Unternehmen nutzbareren Computer, in den 1970er Jahren.

Juristen unterstützende Technologie

Das Ziel dieses Entwicklungsstrangs ist es, die Arbeit von Juristen mit Hilfe von Technologie zu erleichtern. Diese Entwicklungen liefen selbstverständlich teils parallel zur allgemeinen Entwicklung der Arbeit mit einem Computer. Dennoch gab es in der juristischen Welt einige Besonderheiten.

Die erste elektrische technische Hilfe, die sich auf die Arbeit der Juristen und insbesondere der Anwälte auswirkte, war in den 1950er Jahren das Diktiergerät. Hier dürfte jedoch noch nicht von einem wirklich digitalen Hilfsmittel die Rede sein, sodass darauf nicht näher eingegangen werden soll.

Die nächste Stufe der Entwicklung der technischen und digitalen Hilfsmittel für Juristen waren in den 1970er Jahren die ersten Computerprogramme zur Textverarbeitung und zur Recherche. In den USA wurde hier das Programm „Lexis“, ein Nachschlagwerk für juristische Recherchen, geschaffen. Relativ parallel wurde in der BRD „Juris“ gegründet, ein Nachschlagewerk für Rechtsprechung – zunächst aber nur für öffentliche Stellen. Zu dieser Zeit wurde Juris auch allein vom Bundesjustizministerium betrieben. Der Zugang war zudem recht kompliziert, da das Internet, zumindest im heutigen Sinne, noch nicht existierte. Zum Teil wurde deswegen eine Standleitung zu den Rechnern, auf denen die Plattform lief, geschaffen.

Ein wirklich breiter Zugang zu diesen Technologien war also noch nicht möglich. Hinzu kam, dass diese häufig einen recht hohen Preis hatten; also nicht für alle Rechtsanwender erschwinglich waren.

In den 1980er Jahren kam dann das Telefax auf, dass es Juristen erstmals ermöglichte innerhalb von Minuten Schriftsätze auszutauschen und bei Gericht einzureichen. Damit verbesserten sich die Kooperationsmöglichkeiten von Anwälten schlagartig, wodurch dem Kernelement der Vernetzung von Anwälten Vorschub geleistet wurde.

Ebenfalls in den 1980er Jahren wurde mit „RA-Micro“ die erste deutschsprachige Software auf den Markt gebracht, die sich spezifisch an Rechtanwälte richtete. Sie bot insbesondere eine digitale Aktenverwaltung und ermöglichte es auch, dass Angehörige einer Kanzlei sich mit Hilfe von elektronischen Nachrichten verständigten. Diese Nachrichten wurden dabei innerhalb des lokalen Netzwerks übertragen. Eine Kommunikation via Internet also per E-Mail, wie es heute bekannt ist, war noch nicht möglich bzw. noch nicht weit genug verbreitet.

In den 1990er Jahren fällt dann auch diese Barriere, wodurch ein weiteres Zusammenarbeiten von Rechtsanwälten möglich wurde. Nun konnte noch leichter kooperiert werden und es passt insofern gut, dass zu dieser Zeit auch viele Kanzleien fusionierten. Diese Entwicklung war vor allem auch der Liberalisierung des anwaltlichen Standesrechts geschuldet, aber ohne die vereinfachte Kommunikation wären die Fusionen von Kanzleien, die an verschiedenen Standorten saßen, vielleicht nicht in diesem Maße erfolgt.

Im Laufe dieser Zeit hatte sich auch Juris als Plattform weiterentwickelt. Seit den 1980er Jahren war nun der Zugang auch für Private möglich. Außerdem entwickelte sich die Plattform auch inhaltlich weiter. Waren anfänglich auf Juris nur die Bezeichnungen der Entscheidungen mitsamt der Leitsätze zu finden, so wurden nun allmählich die Urteile auch im Volltext verfügbar. Zudem konnten nun immer mehr Artikel aus Zeitschriften in das Angebot aufgenommen werden. Das Angebot entwickelte sich also von einem reinen Nachschlagwerk zu einem Werk mit direktem Inhalt.

Ab 2000 setzte sodann die derzeitige Entwicklung an, die seit 2010 noch einmal deutlich an Geschwindigkeit zugenommen hat. Ab jetzt setzte zunehmend auch die oben bereits angedeutete Verbindung der zwei Entwicklungsstränge ein.

Rechtsinformatik

Der zweite Entwicklungsstrang, der nun dargestellt wird ist deutlich abstrakter, aber ebenso wichtig. Dabei muss zunächst festgestellt werden: Rechtsinformatik und Legal Tech werden teils synonym verwendet. Teils wird auch vertreten, dass Legal Tech ein Unterfall von Rechtsinformatik darstellt. Hier soll es jedoch um Rechtsinformatik im engeren Sinne gehen. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie darauf ausgerichtet ist, juristische Themen und Probleme mit Hilfe von Informatik abzubilden.

Entsprechend findet die Rechtsinformatik ihren Ursprung in den 1950er und 1960er Jahren, als es erste Überlegungen gab, ob sich mit Hilfe von Rechnern Verwaltungstätigkeiten vereinfachen oder gar (teil-)automatisieren ließen. Wirklich intensiviert wurden die Überlegungen zur Rechtsinformatik dann in den 1970er Jahren, als die Computer soweit fortgeschritten waren, dass sich etwas komplexere Vorgänge abbilden ließen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Rechtsinformatik auch zum ersten Mal Gegenstand von vertieften (rechts)wissenschaftlichen Untersuchungen und im Zuge dessen der der Begriff Rechtsinformatik überhaupt geprägt.

Inhalt der Rechtsinformatik ist dabei immer Techniken der Informatik auf juristische Sachverhalte anzuwenden. Der Idealfall wäre es also, wenn sich ein Computer so programmieren ließe, dass er die gesamten Regelungen eines Gesetzes beinhaltet. Dann müsste ihm nur noch der Sachverhalt zugeführt werden und die rechtliche Bewertung könnte vom Computer übernommen werden. Damit würde der Jurist in seiner eigentlichen Funktion als Mittler zwischen dem Sachverhalt und dem Gesetz weitgehend überflüssig. Ein Vorteil wäre, dass ein solches Computerprogramm eigentlich keine Fehler machen kann und auch nicht bestechlich oder parteiisch ist. Theoretisch müsste eine solche „Subsumtionsmaschiene“ also immer das korrekte Ergebnis liefern. Dies würde einen ungemeinen Fortschritt in Fragen der Rechtssicherheit darstellen. Die prinzipiellen Überlegungen hinter diesen Versuchen hatten also einerseits einen ideologischen Ansatz, der Steigerung der Objektivierung des Rechts, aber auch wirtschaftliche Überlegungen, wie die Effizienzsteigerung.

Praktisch kann ein solches Programm nur für bestimmte isolierte Rechtsgebiete geschrieben werden. Ein gutes Beispiel dafür wären die im Internet breit verfügbaren Prozesskostenrechner. In diesem kleinen Feld der Prozesskosten sind wenige unbestimmte Rechtsbegriffe zu finden und die Sachverhaltsalternativen sind nicht so vielfältig, dass sie durch eine einfache Matrix abgefragt werden können. Doch auch hier offenbaren sich teils noch gewisse Schwierigkeiten. So dürfte es für ungeübte Laien doch recht schwer sein, in allen Fällen ohne Unsicherheiten die Matrix auszufüllen. Denn die Zusammenstellung des Sachverhalts ist häufig eine ebenso große Herausforderung, wie die rechtliche Bewertung. Das wäre beim Prozesskostenrechner zum Beispiel die Festlegung des Streitwerts.

Beispiel aus der Praxis

Ein weiteres Beispiel aus der Praxis wäre das Angebot von flightright.de. Dieses stellte eine gelungene Verbindung der vorgenannten Stränge dar.

Hier können Passagiere von Flügen, die verspätet waren oder ausgefallen sind, ihre pauschalierten Ansprüche gemäß der Verordnung 261/2004 (sog. Fluggastrechte-Verordnung) bei den Fluglinien geltend machen. Dazu geben die Interessenten ihre Daten in das System von flightright ein und dieses kann nun automatisiert prüfen, ob ein Anspruch nach der Richtlilie gegeben ist. Das kann das System deshalb so gut, weil die Voraussetzungen in der Verordnung recht einfach gehalten sind. So kommt es maßgeblich darauf an, warum es zu Verspätung kam. Lag diese am Wetter oder einem anderen Ereignis, das nicht in der Gewalt der Airline liegt, so besteht kein Anspruch auf eine Entschädigung. Das System von flightright muss also insbesondere die Wetterdaten des entsprechende Flugs überprüfen und kann so eine recht genaue Prognose treffen, ob eine Entschädigung im Raum steht oder nicht.

Aufgrund der einfachen Voraussetzungen der Verordnung, war es also möglich die Vorgaben in ein Computerprogramm zu gießen und damit ein System im Sinne der Gründer der Rechtsinformatiker zu schaffen. Aber gleichzeitig besteht hier auch das Element der Hilfeleistung für einen Juristen. Denn bei den vergleichsweise geringen Entschädigungshöhen würde es sich für einen einzelnen Anwalt nur selten lohnen, die genauen Sachverhaltserforschungen anzustellen, die zu einer Beurteilung der Erfolgsaussichten notwendig sind.

Die Hilfestellungen durch technische Entwicklungen und die Automatisierung von Recht durch Computerprogramme nähern sich also immer weiter an. Damit zeigt sich die Verbindung der beiden aufgezeigten Strömungen. Diese wird in Zukunft wohl noch zunehmen, wenn auch Machine Learning und Künstliche Intelligenz vermehrt in der juristischen Welt zum Einsatz kommen.

Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Entwicklung von Legal Tech nicht als ein homogener Prozess darstellt, sondern hier verschiedene Entwicklungen zusammengekommen sind. Insofern bleibt es auch in Zukunft spannend in welche Richtung sich Legal Tech weiterentwickelt und wie weit es zur Automatisierung von rechtlichen Aufgabenstellungen in den nächsten Jahren kommen wird.

Quellen

  • Igl, Gerhard „Das juristische Informationssystem JURIS“ CR 1985, 53
  • Kilian, Wolfgang, „Idee und Wirklichkeit der Rechtsinformatik in Deutschland“, CR 2017, 202
  • Kilian, Wolfgang. “30 Jahre Rechtsinformatik-Interessenvertretung”. Von der Lochkarte zum globalen Netzwerk – 30 Jahre DGRI, edited by Wolfgang Büchner and Thomas Dreier, Köln: Verlag Dr. Otto Schmidt, 2007, pp. 3-10.
  • Kilian, Wolfgang, „Warum Rechtsinformatik“, CR 2001, 132-135
  • Leeb, Christina-Maria, „Digitalisierung, Legal Technology und Innovation“ Duncker & Humblot, Berlin, 2019

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