Rechtsfragen

Haftung und autonomes Fahren

Ein Dossier zur Haftung im Bereich des automatisierten und autonomen Fahrens

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Im vorliegenden Dossier werden die rechtlichen Probleme des autonomen Fahrens in Deutschland mit Fokus auf Haftungsfragen behandelt. Nicht eingegangen wird auf die kaufrechtliche Gewährleistung zwischen Käufer und Verkäufer von mangelhaften automatisierten Fahrzeugen. Die gebotene Kürze des Dossiers ermöglicht keine tiefgehende Befassung mit diesem Thema, sondern soll lediglich einen Einstieg in das Thema ermöglichen. Bei Interesse finden Sie am Ende weiterführende Literaturempfehlungen.

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die Stufen 3 bis 5 des automatisierten Fahrens gemeint sind, wenn im Folgenden allgemein vom automatisierten und autonomen Fahren gesprochen wird.

0: Nicht automatisiertes Fahren Der Fahrer führt alle Fahrfunktionen selbst aus, auch wenn unterstützende Systeme (z.B. ABS) vorhanden sind.

1: Assistiertes Fahren Lediglich bestimmte Assistenzsysteme (z.B. der Abstandsregeltempomat) helfen bei der Bedienung des Fahrzeugs.

2: Teilautomatisiertes Fahren Hier werden viele Funktionen wie Einparken, Spurhalten, allgemeine Längsführung, Beschleunigen, Abbremsen vom System übernommen (z.B. vom Stauassistenten), der Fahrer muss dieses aber ständig im Blick behalten.

3: Hochautomatisiertes Fahren Hier übernimmt das System selbstständig viele Fahrleistungen wie Bremsen, Lenken, Spurwechsel oder Überholen. Der Fahrer kann sich anderen Dingen zuwenden, wird aber bei Bedarf von System aufgefordert, die Führung übernehmen.

4: Vollautomatisiertes Fahren Die Führung des Fahrzeugs (Quer-und Längsführung) wird zwar auch hier dauerhaft vom System übernommen, der Fahrer kann jedoch aufgefordert werden, die Führung zu übernehmen, wenn die Fahraufgaben vom System nicht mehr bewältigt werden können. Allerdings ist das System in der Lage, das Fahrzeug selbst aus jeder Ausgangssituation in einen risikominimalen Systemzustand zurückzuführen (z.B. indem es das Fahrzeug auf dem Seitenstreifen zum Stillstand bringt), wenn der Fahrer nicht die Führung übernimmt. Hierzu gehört wohl auch das fahrerlose Fahren in Parksystemen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich nach § 6 I Nr. 14 a StVG.

5: Autonomes Fahren Die Fahrzeuge haben keinen Fahrer, sondern nur Passagiere. Abgesehen vom Festlegen des Zieles und Starten des Systems ist kein menschliches Eingreifen mehr erforderlich.

— Stufen des automatisierten Fahrens(Fn. 1)

A. Zulässigkeit des automatisierten Fahrens im Straßenverkehr und allgemeine Pflichten des Kfz-Führers

I. Zulässigkeit des Betriebs

Zunächst Jahren war in Deutschland lediglich das assistierte und teilautomatisierte Fahren nach den Stufen 1 und 2 zulässig. Seit dem 21.6.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsrechts ist der Regelbetrieb für Kraftfahrzeuge mit hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen zugelassen, also den Stufen 3 und 4. Nach wie vor unzulässig ist das autonome Fahren nach der Stufe 5.

(1) Der Betrieb eines Kraftfahrzeugs mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion ist zulässig, wenn die Funktion bestimmungsgemäß verwendet wird.

— § 1a StVG Kraftfahrzeuge mit hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion

Welche Funktion „bestimmungsgemäß“ ist, ist konstruktionsabhängig. Ist eine automatisierte Fahrfunktion beispielsweise nur für den Einsatz auf Autobahnen vorgesehen, darf das System nicht zum Verkehr auf anderen Straßen verwendet werden. Die Systembeschreibung des Fahrzeugs muss deshalb gem. § 1a Abs. 2 S. 2 StVG über die Art der Ausstattung mit automatisierter Fahrfunktion und den Grad der Automatisierung unmissverständlich Auskunft geben, damit der Fahrer – wozu er auch verpflichtet ist – sich über den Rahmen bestimmungsgemäßen Gebrauch und die Systemgrenzen informieren kann.

Damit hoch- oder vollautomatisierte Fahrzeuge im Regelbetrieb eingesetzt werden können, müssen diese nach § 1a Abs. 3 StVG zum Verkehr zugelassen sein und das System muss den Vorgaben in internationalen Vorschriften (UNECEFE-Regelungen) entsprechen oder eine EU-Typengenehmigung aufweisen.

II. Pflichten des Kfz-Führers

Die spezifischen Pflichten des Kfz-Führers in Bezug auf hoch- und vollautomatisiertes Fahren werden in § 1b StVG geregelt:

(1) Der Betrieb eines Kraftfahrzeugs mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion ist zulässig, wenn die Funktion bestimmungsgemäß verwendet wird.

(2) Der Fahrzeugführer ist verpflichtet, die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder zu übernehmen,

  1. wenn das hoch- oder vollautomatisierte System ihn dazu auffordert oder
  2. wenn er erkennt oder auf Grund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen.

— § 1b StVG Rechte und Pflichten des Fahrzeugführers bei Nutzung hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen

Hierzulande ist für den Regelbetrieb bei automaitisierten Fahrzeugen also stets die Anwesenheit eines Fahrzeugführers im Fahrzeug selbst erforderlich. Unverzüglich bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“(Fn. 2) und meint dabei nicht „sofort“, sondern die subjektive Zumutbarkeit alsbaldigen Handelns in der konkreten Situation. Welche offensichtlichen Umstände zu einer unverzüglichen Übernahme der Fahrzeugsteuerung seitens des Fahrers verpflichten, hat der Gesetzgeber nicht weiter konkretisiert. Exemplarisch wird in der Gesetzesbegründung ein geplatzter Reifen angeführt.(Fn. 3)

Zuletzt wurde das StVG durch Gesetz zum autonomen Fahren am 20.05.2021 geändert.(Fn. 4) Darin sind nunmehr erstmals auch Regelungen zum autonomen Fahren enthalten, § 1d StVG. Diese erlauben das autonome Fahren in bestimmten abgrenzbaren Einsatzgebieten, z.B. Im Bereich der Shuttle-Verkehre, Transportsystemen oder Logistikzentren. Die Pflichten der Beteiligten beim Betrieb autonomer Fahrzeuge sind im neu geschaffenen § 1f StVG geregelt. Dabei ist der Halter insbesondere dazu verpflichtet, die Verkehrssicherheit und Umweltverträglichkeit des Fahrzeugs durch Vorkehrungen sicherzustellen, d.h. das Fahrzeug muss durch den Halter regelmäßig gewartet werden, etc. Neu eingeführt wurde dabei eine technische Aufsicht über das Fahrzeug, die das autonome Fahren deaktivieren kann, in einen risikominimalen Zustand versetzen kann (d.h. das Fahrzeug wird sicher abgebremst und z.B. am Seitenstreifen zum Stillstand gebracht) und mit den Insassen des Fahrzeugs in Kontakt treten kann. Ein solches Abbremsen kann beispielsweise auch nötig werden, wenn sich das Fahrzeug in einem Funkloch befindet und die autonomen Fahrzeuge entsprechend nicht zu 100% durchgeführt werden können. Neben dem Halter hat beim autonomen Fahren insbesondere auch der Hersteller Pflichten. Er hat z.B. die IT- und elektrische Sicherheit der vertriebenen Fahrzeuge sicherzustellen, Funkverbindungen zu ermöglichen, die Systeme zu überprüfen und weitere Aufgaben zur Erhaltung der Sicherheit zu erfüllen.

(1) Der Halter eines Kraftfahrzeugs mit autonomer Fahrfunktion ist zur Erhaltung der Verkehrssicherheit und der Umweltverträglichkeit des Kraftfahrzeugs verpflichtet und hat die hierfür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Er hat

  1. die regelmäßige Wartung der für die autonome Fahrfunktion erforderlichen Systeme sicherzustellen,
  2. Vorkehrungen zu treffen, dass die sonstigen, nicht an die Fahrzeugführung gerichteten Verkehrsvorschriften eingehalten werden und
  3. zu gewährleisten, dass die Aufgaben der Technischen Aufsicht erfüllt werden.

(2) Die Technische Aufsicht über ein Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion ist verpflichtet,

  1. ein alternatives Fahrmanöver nach § 1e Absatz 2 Nummer 4 und Absatz 3 zu bewerten und das Kraftfahrzeug hierfür freizuschalten, sobald ihr ein solches optisch, akustisch oder sonst wahrnehmbar durch das Fahrzeugsystem angezeigt wird, die vom Fahrzeugsystem bereitgestellten Daten ihr eine Beurteilung der Situation ermöglichen und die Durchführung des alternativen Fahrmanövers nicht die Verkehrssicherheit gefährdet,
  2. die autonome Fahrfunktion unverzüglich zu deaktivieren, sobald dies optisch, akustisch oder sonst wahrnehmbar durch das Fahrzeugsystem angezeigt wird,
  3. Signale der technischen Ausrüstung zum eigenen Funktionsstatus zu bewerten und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen zur Verkehrssicherung einzuleiten und
  4. unverzüglich Kontakt mit den Insassen des Kraftfahrzeugs herzustellen und die zur Verkehrssicherung notwendigen Maßnahmen einzuleiten, wenn das Kraftfahrzeug in den risikominimalen Zustand versetzt wird.

(3) Der Hersteller eines Kraftfahrzeugs mit autonomer Fahrfunktion hat

  1. über den gesamten Entwicklungs- und Betriebszeitraum des Kraftfahrzeugs gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt und der zuständigen Behörde nachzuweisen, dass die elektronische und elektrische Architektur des Kraftfahrzeugs und die mit dem Kraftfahrzeug in Verbindung stehende elektronische und elektrische Architektur vor Angriffen gesichert ist,
  2. eine Risikobeurteilung für das Kraftfahrzeug vorzunehmen und gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt und der zuständigen Behörde nachzuweisen, wie die Risikobeurteilung durchgeführt wurde und dass kritische Elemente des Kraftfahrzeugs gegen Gefahren, die im Rahmen der Risikobeurteilung festgestellt wurden, geschützt werden,
  3. eine für das autonome Fahren ausreichend sichere Funkverbindung nachzuweisen,
  4. für jedes Kraftfahrzeug eine Systembeschreibung vorzunehmen, ein Betriebshandbuch zu erstellen und gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt und im Betriebshandbuch verbindlich zu erklären, dass das Kraftfahrzeug die Voraussetzungen nach § 1e Absatz 2, auch in Verbindung mit Absatz 3, erfüllt,
  5. für das Kraftfahrzeug eine Schulung für die am Betrieb beteiligten Personen anzubieten, in der die technische Funktionsweise insbesondere im Hinblick auf die Fahrfunktionen und die Aufgabenwahrnehmung der Technischen Aufsicht vermittelt werden, und
  6. sobald er Manipulationen am Kraftfahrzeug oder an dessen elektronischer oder elektrischer Architektur oder an der mit dem Kraftfahrzeug in Verbindung stehenden elektronischen oder elektrischen Architektur erkennt, insbesondere bei einem unerlaubten Zugriff auf die Funkverbindungen des Kraftfahrzeugs, diese unverzüglich dem Kraftfahrt-Bundesamt und der nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Behörde oder auf Bundesfernstraßen, soweit dem Bund die Verwaltung zusteht, der Gesellschaft privaten Rechts im Sinne des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes mitzuteilen und erforderliche Maßnahmen einzuleiten.

— § 1f StVG Pflichten der Beteiligten beim Betrieb von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion

Ergänzend dazu wurde die Datenverarbeitung in § 1g StVG für autonome Systeme geregelt, wonach der Halter zur Speicherung verschiedener Daten durch das Fahrzeug verpflichtet wird, so z.B. die Positionsdaten, Geschwindigkeitsdaten, Umweltbedingungen, etc. Im Falle eines Unfalls oder Beinahe-Unfalls sowie in solchen Fällen, in denen die Technische Aufsicht eingreifen muss oder weitere außerplanmäßige Manöver stattfinden, sind die Daten nach § 1g Abs. 2 StVG anlassbezogen zu speichern und zur Verfügung zu stellen. Der Hersteller muss die Speicherung technisch ermöglichen und den Halter ausreichend informieren, § 1g Abs. 3 StVG.

§ 63 a StVG enthält eine Regelung zur Datenverarbeitung bei automatisierten Systemen. Im ersten Absatz wird dabei geregelt, was gespeichert werden muss. Im zweiten Absatz folgt dann die Regelung der Übermittlung dieser Daten zur Ahndung von Verkehrsverstößen an die Ordnungswidrigkeitenbehörde und im dritten Absatz an Dritte im Zusammenhang mit Unfällen(Fn. 5).

(1)Kraftfahrzeuge gemäß § 1a speichern die durch ein Satellitennavigationssystem ermittelten Positions- und Zeitangaben, wenn ein Wechsel der Fahrzeugsteuerung zwischen Fahrzeugführer und dem hoch- oder vollautomatisierten System erfolgt. Eine derartige Speicherung erfolgt auch, wenn der Fahrzeugführer durch das System aufgefordert wird, die Fahrzeugsteuerung zu übernehmen oder eine technische Störung des Systems auftritt. Nicht aufgezeichnet wird, welche Person gefahren ist.

(2) Die gemäß Absatz 1 gespeicherten Daten dürfen den nach Landesrecht für die Ahndung von Verkehrsverstößen zuständigen Behörden auf deren Verlangen übermittelt werden. 2Die übermittelten Daten dürfen durch diese gespeichert und verwendet werden.

(3) Der Fahrzeughalter hat die Übermittlung der gemäß Absatz 1 gespeicherten Daten an Dritte zu veranlassen, wenn

  1. die Daten zur Geltendmachung, Befriedigung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit einem in § 7 Absatz 1 geregelten Ereigniserforderlich sind und
  2. das entsprechende Kraftfahrzeug mit automatisierter Fahrfunktion an diesem Ereignis beteiligt war.

— § 63 a StVG Datenverarbeitung bei Kraftfahrzeugen mit hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion

B. Haftung

Was heißt „Haftung“ überhaupt? Ganz allgemein gesprochen meint Haftung die rechtliche Belangbarkeit. Im Folgenden wird auf die zivilrechtliche Haftung und die strafrechtliche Haftung eingegangen. Bei der zivilrechtlichen Haftung geht es um das Einstehen eines Rechtssubjekts, also eines Trägers von Rechten und Pflichten, für einen entstandenen Schaden und ist vor allem auf Schadensersatz gem. §§ 249 ff. BGB, also primär der finanzielle Kompensation für diesen Schaden an den Geschädigten gerichtet. Bei der strafrechtlichen Haftung gibt es zwei mögliche Konsequenzen, die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe. Bei letzterer handelt es sich nicht um eine Schadensersatzzahlung zugunsten des Geschädigten; dieser erhält den Geldbetrag dementsprechend auch nicht.

In der weiterführenden Literatur finden sich für Studierende, die Interesse an vertieften Kenntnissen allgemein zur zivilrechtlichen Haftung haben, Ausbildungsliteraturhinweise.

C. Zivilrechtliche Haftungsfragen

Im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung kommen mehrere Haftungsgrundlagen in Betracht. Zunächst soll auf die deliktische Haftung gem. §§ 823 ff. BGB eingegangen, das Produkthaftungsgesetz und so dann auf die Haftung nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG). Die Darstellung ist dabei nicht abschließend, sondern beschränkt sich auf die relevanten Punkte.

I. Deliktische Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

— § 823 BGB Schadensersatzpflicht

Die deliktische Haftung mit § 823 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage ist eine Verschuldenshaftung. Hier kommt es maßgeblich darauf an, ob jemanden der Vorwurf gemacht werden kann, sich – umgangssprachlich ausgedrückt – „absichtlich oder aus Versehen falsch verhalten“ zu haben.

1. Rechtsgutsverletzung

Zunächst muss ein geschütztes Rechtsgut verletzt worden sein. Im Zusammenhang mit Unfällen mit Kraftfahrzeugen werden typischerweise die Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit oder Eigentum geschädigt.

2. Herstellerhaftung

Die Rechtsgutsverletzung muss adäquat kausal auf ein Verhalten des Herstellers zurückzuführen sein. Soll der Produzent in die Verantwortung genommen werden, kommt es maßgeblich darauf an, ob ihm der Vorwurf der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gemacht werden kann.

Die konkreten Verkehrspflichten im Rahmen der Produzentenhaftung werden in drei Fehlertypen – Konstruktions-, Fabrikations- und Instruktionsfehler – sowie der Produktbeobachtungspflicht unterteilt.

a) Konstruktionsfehler

Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn das Produkt schon seiner Konzeption nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt.

Hierbei ist zum einen darauf abzustellen, was nach dem im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts vorhandenem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik konstruktiv möglich ist und als geeignet und genügend erscheint, um Schäden zu verhindern. Bei der Automobilproduktion ist der Einsatz von sicherheitstechnisch besseren Alternativkonstruktionen nur dann erforderlich, wenn sie bereits serienreif sind; noch in der Erprobung befindliche Alternativen scheiden damit aus.

Zum anderen muss die Sicherungsmaßnahme auch zumutbar sein. Im Rahmen dessen ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen. Ein Produkt ist beispielsweise fehlerhaft, wenn es eine alternative Konstruktion gegeben hätte, deren Mehrkosten gegenüber der tatsächlich gewählten Konstruktion geringer gewesen wären als die Summe der dadurch vermiedenen Schäden.

b) Fabrikationsfehler

Konstruktionsfehler betreffen den Bauplan des Produkts und wirken sich zwangsläufig auf die ganze Serie aus. Ein Fabrikationsfehler liegt hingegen vor, wenn zwar der Bauplan des Produkts in Ordnung ist, im Fertigungsprozess jedoch eine planwidrige Abweichung von der Sollbeschaffenheit eintritt, insbesondere durch Kontrolldefizite des Fertigungsprozesses.

c) Instruktionsfehler

Auch wenn der Hersteller ein fehlerlos konstruiertes und hergestelltes Produkt in Verkehr bringt, kann er nach § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn sich eine vom Produkt ausgehende Gefahr verwirklicht, vor der er den Produktverwender – insbesondere den Fahrzeugführer – hätte warnen können und müssen. Diese bezieht sich zum einen auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produkts, insbesondere der obligatorischen Systembeschreibung gem. § 1a Abs. 2 S. 2 StVG, und zum anderen auch auf naheliegenden Fehlgebrauch.

d) Produktbeobachtungspflicht

Die Produktbeobachtungspflicht greift zeitlich nach Inverkehrbringen des Produktes, und meint die Produktbeobachtung beispielsweise durch Auswertung von Kundenbeschwerden, Fachzeitschriften etc. Bei autonomen Fahrzeugen umfasst dies auch die Auswertung der umfangreich anfallenden Steuerungsdaten. Automobilhersteller sind daher verpflichtet insbesondere die in Serie produzierten Kraftfahrzeuge auf noch nicht bekannte schädliche Eigenschaften und Gefahren hin zu beobachten.

Erkennt der Hersteller durch diese Beobachtung die Fehlerhaftigkeit seines Produkts, muss er die Produktion des Kraftfahrzeugs entsprechend umstellen. Unterlässt er dies, haftet er für die nun in Verkehr gebrachten Produkte wegen eines Konstruktionsfehlers. Darüber hinaus bestehen Warn- und Informationspflichten.

Während Nachbesserungspflichten bisher in der Regel abgelehnt wurden, wird im Bezug auf automatisierte Fahrzeuge diskutiert, ob der Hersteller angesichts des niedrigen Aufwands Softwareupdates ohne physischen Kontakt zum Fahrzeug einzuspielen hat. Problematisch ist hierbei, dass jede Änderung am Fahrzeug unter zulassungsrechtlichem Vorbehalt steht und im schlimmsten Fall zum Erlöschen der Betriebserlaubnis nach § 19 II 2 Nr. 2 StVZO führen kann.

e) Entwicklungsrisiko

Aus der Orientierung am Zeitpunkt des Inverkehrbringens eines Fahrzeugs ergibt sich, dass der Hersteller nicht für sog. Entwicklungsrisiken haftet. Dies sind Gefahren, die nach dem damals allgemein verfügbaren und anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar waren, weil die erforderliche Erkenntnismöglichkeit zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch nicht weit genug fortgeschritten war.

3. Fahrer oder Halter eines autonomen Fahrzeugs

Die Haftung von Fahrer oder Halter eines autonomen Fahrzeugs setzt auf Verschuldensebene voraus, dass die Rechtsgutverletzung vorsätzlich (laienhaft ausgedrückt „mit Absicht“) oder fahrlässig („aus Versehen“) verursacht wurde. Auf die daraus resultierenden Schäden, d.h. auf die hier nicht weiter ausgeführte Haftungsausfüllung nach den §§ 249 ff. BGB, muss sich das Verschulden nicht erstrecken

Gemäß der Definition in § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Die Fahrlässigkeit enthält intellektuelle und voluntative Elemente und setzt Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit des drohenden Erfolgs voraus.

Ausweislich von § 1b Abs. 1 StVG darf sich der Fahrzeugführer während der Fahrzeugführung mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen (das ist näher in § 1a StVG definiert) vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden; sich so zu verhalten, ist daher schon normativ nicht sorgfaltswidrig.

Mögliche Anhaltspunkte für den Fahrer vorwerfbares Verhalten kann aber beispielsweise sein, dass er entgegen § 1b Abs. 1 StVG nicht wahrnehmungsbereit war oder entgegen § 1b Abs. 2 StVG die Fahrzeugsteuerung trotz systemseitiger Aufforderung nicht unverzüglich wieder übernommen hat. In Betracht kommt auch die Nichtnutzung des automatisierten Fahrsystems, die fehlende bzw. fehlerhafte Überwachung und Übersteuerung und fehlende Funktionssicherheit des automatisierten Fahrsystems oder die Nichtvornahme notwendiger Sicherheitsupdates; letzteres auch durch den Fahrzeughalter. Im Gegenzug wird der Fahrer eines Fahrzeugs mit automatisierter Funktion – auch im Hinblick auf die Reglung des § 1b StVG – sich grundsätzlich darauf verlassen dü rfen, dass das Fahrzeug bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ordnungsgemäß, d. h. im Einklang mit den Vorschriften des Straßenverkehrs fährt. Dies kann aber natürlich dann nicht mehr gelten, wenn im konkreten Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein sicheres Fahren mit dem automatisierten Fahrzeug nicht mehr möglich ist.

II. Produkthaftungsgesetz

Die Anspruchsgrundlage aus dem Produkthaftungsgesetz ist § 1 ProdHaftG:

(1) Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Falle der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist.

— § 1 ProdHaftG Haftung

Der Schadensersatzanspruch aus dem ProdHaftG – eine Gefährdungshaftung – richtet sich grundsätzlich ausschließlich gegen den Hersteller im Sinne des 4 ProdHaftG. An dieser Stelle sei explizit darauf hingewiesen, dass gemäß dessen Absatz 2 auch derjenige Hersteller ist, wer „ein Produkt zum Zweck der Vermietung, des Mietkaufs Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einführt oder verbringt.“, d.h. auch Vermieter(Fn. 6) und Leasinggeber von Kraftfahrzeugen.

Zentraler Begriff des Produkthaftungsgesetzes ist der des Fehlers, welcher in § 3 ProdHaftG legaldefiniert wird:

(1) Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere

a) seiner Darbietung,

b) des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,

c) des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,

berechtigterweise erwartet werden kann.

(2) Ein Produkt hat nicht allein deshalb einen Fehler, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht wurde.

— § 3 ProdHaftG Fehler

Die Buchstaben a bis c enthalten hierbei einen nicht abschließenden6 Katalog generell maßgeblicher Umstände. Darüber hinaus können weitere Anhaltspunkte helfen, um das maßgebliche Sicherheitsniveau zu bestimmen, etwa die Art des Produkts, einschlägige technische Sicherheitsstandards und sein Preis.

Die gem. § 1a Abs. 2 Satz 2 StVG obligatorische Systembeschreibung stellt eine Darbietung im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. a ProdHaftG dar und der Gebrauch, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, wird auch durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch gemäß § 1a Abs. 1 StVG bestimmt. Hersteller sind daher gut beraten, höchste Sorgfalt auf die Formulierung der Systembeschreibung und des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des Fahrzeugs mit hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktion aufzuwenden.

Vom ProdHaftG werden nicht nur der Abnehmer oder Nutzer des Produkts, sondern alle geschützt, die den Gefahren des Produkts ausgesetzt sind. Für ein Kraftfahrzeug bedeutet das: Nicht nur der Eigentümer, Halter oder Fahrer bzw. die Insassen sind den Gefahren des Produkts ausgesetzt, sondern vor allem auch Personen, die am Fahrvorgang unbeteiligt sind und sonst in keiner Beziehung zu dem Fahrzeug stehen, durch das sie unter Umständen geschädigt werden. Die berechtigten Sicherheitserwartungen sind daher nicht nur aus der Perspektive des Käufers oder des Fahrers des Fahrzeugs zu bestimmen, sondern in die Abwägung sind auch die allgemeinen Erwartungen Dritter einzubeziehen.

III. Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG

Während in § 18 Abs. 1 S. 1 StVG eine weitere verschuldensabhängige Anspruchsgrundlage für eine Haftung des Fahrzeugführers existiert, soll hier auf die Halterhaftung gem. § 7 Abs. 1 StVG hingewiesen werden. Die Besonderheit an der Gefährdungshaftung ist, dass sie verschuldensunabhängig ist, dem Halter ist also nichts vorzuwerfen, außer dass er an sich Halter eines Fahrzeugs ist. Damit besteht auch eine Haftung des Halters bei Unfällen durch Systemfehler, z.B. wenn das das Fahrzeug ein Hindernis nicht erkennt.

Hintergrund der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung ist der Gedanke, dass der Betreiber einer Gefahrenquelle – und das sind automatisierte Fahrzeuge zweifelsfrei – auch jenseits von Sorgfaltspflichtverletzungen für auftretende Schäden einzutreten hat, da er auch von den Vorteilen profitieren kann. Faktisch hat dies zwei Folgen: Zum einen werden Halter schon aus Eigeninteresse versuchen, Rechtsverletzungen Dritter und darauf beruhende Schäden möglichst zu vermeiden, zumindest soweit die Schadensvermeidungskosten geringer sind als der Umfang potentieller Schadensersatzzahlungen. Zum anderen reguliert die drohende Haftung das Aktivitätsniveau: Nur wenn die Vorteile die drohenden Schadensersatzansprüche überwiegen, wird eine bestimmte gefährliche Tätigkeit – vorliegend das automatisierte Fahren – in entsprechendem Umfang durchgeführt.

Im Rahmen des Schadensrechts der StVG gab es im Bezug auf automatisiertes Fahren nur eine Änderung: die Verdoppelung der Haftungssumme für Schäden, die durch Nutzung von automatisiertem Fahren verursacht werden, § 12 Abs. 1 Satz 1 StVG. Dies gilt auch für autonome Systeme.

Für die neuen Regelungen zum autonomen Fahren ändert sich im Bereich der Haftung wenig, da die verschuldensunabhängige Haftung des § 7 StVG bleibt. Lediglich im Bereich des § 18 StVG ergeben sich Änderungen, da kein Fahrzeugführer das Fahrzeug steuert.

IV. Zwischenfazit

Der Hersteller hat potentiell nicht nur über die deliktische Produkthaftung aus § 823 Abs. 1 BGB einzustehen, sondern auch über die in §§ 1 ff. ProdHaftG geregelte Produkthaftung. Der Halter haftet darüber hinaus verschuldensunabhängig nach § 7 StVG.

Hersteller und Halter sind als Gesamtschuldner verantwortlich (§ 840 BGB). Praktisch wird es zwar für den Geschädigten weiterhin am einfachsten sein, den Halter über § 7 Abs. 1 StVG in Anspruch zu nehmen; dieser könnte allerdings beim Hersteller Regress nehmen (§ 426 BGB), was dann erfolgsversprechend ist, wenn der Schaden des Dritten maßgeblich auf den Hersteller zurückzuführen ist. Es wird eine „massive Haftungsverschiebung vom Halter und dessen Versicherung hin zum Hersteller“ erwartet. Die Schadenskosten werden dessen ungeachtet im Ergebnis in allen Fällen vom Halter zu tragen sein. Der Hersteller wird versuchen, die erwarteten Kosten aus Schadensersatzansprüchen über den Kaufpreis faktisch auf den Halter umlegen.

D. Strafrechtliche Haftung

Im Folgenden soll noch kurz auf etwaige Strafbarkeit diverser Personen eingegangen werden. Hinsichtlich Vorsatztaten, beispielsweise der vorsätzlichen Tötung oder Körperverletzung durch einen Fahrer eines automatisierten Fahrzeugs oder der absichtlichen Manipulation von Fahrzeugen durch Dritte, nicht autorisiertem Zugriff von außen auf „gehackten“ oder elektronisch „gekapertem“ Fahrzeug oder in sonstigen Fällen von Cyberkriminalität ergeben sich keine Besonderheiten; die Strafbarkeit des Fahrers bzw. Urhebers wird regelmäßig zu bejahen sein. Deshalb wird im Folgenden – abgesehen von verkehrsspezifischen Delikten – nur auf Fahrlässigkeitsdelikte eingegangen. Da die fahrlässige Sachbeschädigung nicht strafbar ist(Fn7), kommen als mögliche Straftatbestände die fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB und die fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB in Betracht:

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

— § 222 StGB Fahrlässige Tötung

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

— § 229 StGB Fahrlässige Körperverletzung

I. … des automatisierten Fahrzeugs?

Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des automatisierten oder autonomen Kraftfahrzeugs oder Teile desselben scheidet schon deshalb aus, weil das hiesige Rechtssystem auf menschliches Verhalten oder Unterlassen abzielt.

II. … des Herstellerunternehmens?

Aus demselben Grund – der Anknüpfung an menschliches Handlungsunrecht – scheidet auch die Strafbarkeit eines Unternehmens der Automobilwirtschaft als juristische Person, Kapitalgesellschaft oder sonstige Vereinigung aus. Die Rechtsfigur eines Unternehmensstrafrechts ist dem deutschen Rechtssystem bislang unbekannt und auch wesensfremd. Ausnahmen gibt es allein im Ordnungswidrigkeitenrecht, z. B. § 30 OWiG.

III. … des Fahrers?

1. Wer ist eigentlich der strafrechtlich verantwortliche Fahrer bzw. Fahrzeugführer im Sinne der Straßenverkehrsdelikte?

Die besonderen Straßenverkehrsdelikte, wie z. B. § 315c StGB, knüpfen regelmäßig an die Fahrzeugführereigenschaft an:

(1) Wer im Straßenverkehr

ein Fahrzeug führt, obwohl er

a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder

b) infolge geistiger oder körperlicher Mängel

nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder

grob verkehrswidrig und rücksichtslos

a) die Vorfahrt nicht beachtet,

b) falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,

c) an Fußgängerüberwegen falsch fährt,

d) an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,

e) an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,

f) auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder

g) haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,

und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

— § 315c Gefährdung des Straßenverkehrs

In diesen Fällen stellt sich die Frage, wer Führer eines Fahrzeugs ist. Ein Fahrzeug führt, „wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teils der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeuges bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind, das Fahrzeug also unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt.“

Nach dieser gängigen Definition sind eigentlich Sachverhalte denkbar, in denen eine Person, die sich in einem Fahrzeug befindet, welches automatisiert fährt, dann nicht (mehr) Kraftfahrzeugführer ist, wenn sie Wesentliches zur Fortbewegung der Technik ü berlä sst oder dass bei Teilung der notwendigen Funktionen mehr als ein Kraftfahrzeugfü hrer vorhanden ist.

Jedoch regelte drei Jahre nach dieser höchstrichterlichen Definition der Gesetzgeber in § 1a Abs. 4 StVG, dass auch derjenige Fahrzeugführer ist, der eine hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion aktiviert und zur Fahrzeugsteuerung verwendet, auch wenn er im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung dieser Funktion das Fahrzeug nicht eigenhändig steuert. Damit befinden sich die herrschende Definition zum Führen eines Fahrzeugs bei den Straßenverkehrsdelikten und der gesetzgeberischen Definition des Kraftfahrzeugführers insoweit bislang in inkongruenten Verhältnis.

2. Menschliche Handlung

Darüber hinaus kann man sich zunächst die Frage stellen, ob überhaupt eine menschliche Handlung vorliegt. Dies ist nicht zwingend in jedem Fall zu bejahen:

Im sog. „Aschaffenburger Fall“ im Frühjahr 2012 kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem eine Frau und ihr kleines Kind getötet wurden. Der Fahrer eines mit einem Spurhalteassistenten ausgestatteten Fahrzeugs verlor während der Fahrt, für den Fahrer nicht vorhersehbar und daher auch nicht vorwerfbar, das Bewusstsein. Das Fahrzeug fuhr trotz eines Verreißens des Lenkrades nach rechts weiter und der Spurhalteassistent führte das Fahrzeug wieder auf die Straße zurück und weiter in eine Ortschaft hinein und dort kam es dann zum tödlichen Verkehrsunfall.

Nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen ist der Fahrer des Fahrzeugs straflos, denn es liegt schon keine menschliche Handlung vor, da das Fahrzeug vom Spurhalteassistenten auf die Straße zurückgeführt wurde.

Als menschliche Handlung des Fahrers verbleibt allenfalls das Starten des Motors, das Aktivieren des Spurhalteassistenten und das Fahren des Fahrzeugs vor dem Unfall, allerdings dabei fehlt es an dem Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung.

3. Fahrlässigkeit

Fahrlässigkeit ist die objektive Verletzung von Sorgfaltspflichten, die subjektive Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des eingetretenen Taterfolges (also der Körperverletzung oder Tötung) und der Pflichtwidrigkeitenzusammenhang zwischen Sorgfaltspflichtverstoß und dem Erfolgseintritt bestehen. Dies ist auch bei Verkehrsunfällen im Zusammenhang mit automatisiertem Fahren individuell zu prüfen. Hinsichtlich etwaiger Sorgfaltspflichtverstöße sei auf die im Rahmen der deliktischen Haftung genannten Sorgfaltpflichten verwiesen werden.

IV. … des Fahrzeughalters?

Der Fahrzeughalter ist insbesondere dann Objekt der Strafverfolgung, wenn er in Straftatbeständen bzw. Vorschriften des Ordnungswidrigkeitenrechts ausdrücklich benannt ist, vgl. u. a. die §§ 21 StVG, 6 PflVG, 31 StVZO.

Nach dem Schutzzweck dieser Vorschriften trifft den Halter eine Verantwortlichkeit bei der Auswahl des Fahrers und fü r den technischen Zustand seines Fahrzeugs. Sollte mit dem Fahrzeug eines Halters eine Straftat geschehen sein, so ist eine generelle Verneinung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht ausgeschlossen. Denn in der Verursachungskette zwischen dem Fahrzeug des Halters und der Straftat liegt ein letztes Verhalten und/oder Unterlassen des Halters darin, dass er das Fahrzeug in einem bestimmten von ihm zu verantwortenden Zustand aus seiner Verfügungsgewalt bewusst an einen Dritten entlässt. Insoweit kann nach allgemeinen Grundsätzen eine Strafbarkeit des Halters daran anknüpfen und eine Strafbarkeit gem. § 222 StGB oder § 229 StGB eventuell zu bejahen sein.

Auch hierfür können Fallgruppen gebildet werden: die unzureichende Instruktion des Fahrers (Instruktionsmangel), die unzureichende Wartung des ü berlassenen Fahrzeugs (Wartungsmangel) und zuletzt die fehlende Funktionssicherheit der automatisierten Fahrsysteme (Funktionsmangel).

V. … der Personen in der Supply Chain?

Personen in der Supply Chain sind insbesondere Konstrukteure und Programmierer des Fahrzeugs sowie in den Datentransfer involvierte Technikdienstleister. Auch hier kommt grundsätzlich eine Strafbarkeit dieser Personen wegen Fahrlässigkeitsdelikten im Zusammenhang von Verkehrsunfällen mit automatisierten Fahrzeugen in Betracht.

E. Fazit

Das deutsche Haftungsrecht ist gut für den Einsatz von automatisierten Fahrzeugen gerüstet, insoweit kann auf die bestehenden Haftungsregime zurückgegriffen werden. Etwaige noch bestehende Widersprüche bzw. offene Fragen sind nicht unlösbar und noch offene Fragen werden im Verlauf der Zeit richterlich geklärt bzw. kritisiert werden. Insbesondere die neu geschaffenen Regelungen zum autonomen Fahren sind als Zwischenschritt zu begrüßen. Dabei bleibt abzuwarten, wie die technische und rechtliche Entwicklung sich in diesem Bereich fortsetzt.

F. Weiterführende Literatur

I. Allgemein zur zivil- und strafrechtlichen Haftung

Fuchs, Baumgärtner: Ansprüche aus Produzentenhaftung und Produkthaftung, JuS 2011, 1057.

Kaspar, Johannes, Grundprobleme der Fahrlässigkeitsdelikte, JuS 2012, 16.

Lorenz, Stephan, Grundwissen – Zivilrecht: Deliktsrecht – Haftung aus § 823 I BGB, JuS 2019, 852.

Schulz-Merkel, Philipp / Meier, Dominik, Grundfälle zur Haftung bei Verkehrsunfällen, JuS 2015, 201.

Spickhoff, Andreas, Die Grundstruktur der deliktischen Verschuldenshaftung, JuS 2016, 865.

II. Insbesondere zum automatisierten Fahren

Bilski, Nico / Schmid, Thomas, Verantwortungsfindung beim Einsatz maschinell lernender Systeme, NJOZ 2019, 657

Buck-Heeb, Petra / Dieckmann, Andreas, Die Fahrerhaftung nach § 18 StVG I bei (teil-) automatisiertem Fahren, NVZ 2019, 113.

Freise, Rainer, Rechtsfragen des automatisierten Fahrens, VersR 2019, 65. Hilgendorf, Eric, Automatisiertes Fahren und Recht – ein Überblick, JA 2018, 801.

Hofmann, Franz, Der Einfluss von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz auf das Haftungsrecht: Der Umgang mit technischen Risiken, CR 2020, 282.

Klink-Straub, Judith / Keber, Tobias, Aktuelle Gesetzeslage zum automatisierten Fahren – eine Rechtsvergleichung, NVZ 2020, 113.

Schrader, Paul, Herstellerhaftung nach dem StVG-ÄndG 2017, DAR 2018, 314. Schuster, Frank Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Hersteller beim

automatisierten Fahren, DAR 2019, 6.

Staub, Carsten, Strafrechtliche Fragen zum Automatisierten Fahren: Der Hersteller als strafrechtlicher Verantwortlicher der Zukunft? – Umfang der Sorgfaltspflicht – Datenschutz versus Aufklärungspflicht, NZV 2019, 392.

Wörner, Liane, Der Weichensteller 4.0: Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Programmierers im Notstand für Vorgaben an autonome Fahrzeuge, ZIS 2019, 41.

III. Fußnoten

(Fn. 1) Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste, Autonomes und automatisiertes Fahren auf der Straße – rechtlicher Rahmen, WD 7 – 3000 – 111/18, S. 4 m. w. N.

(Fn. 2) § 121 Abs. 1 BGB.

(Fn. 3) BT-Drs. 18/11300, S. 22.

(Fn. 4) https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/DG/gesetz-zum-autonomen-fahren.html; vgl. dazu ausführlich: Heckmann in vbw-Studie, Datenschutz, IT-Sicherheit und Haftung bei automatisierten Systemen,

(Fn. 5) Der entsprechende Wortlaut des § 7 Abs. 1 StVG lautet, wenn „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt“ wird.

(Fn. 6) Der oft verwendete Begriff „Leihwagen“ ist ebenso wie Autoverleih juristisch begrifflich falsch, da die Leihe gem. § 598 BGB zwingend unentgeltlich ist, sondern es sich um kostenpflichtige Vermietung im Sinne des § 535 BGB handelt.

(Fn. 7) Eine zivilrechtliche Haftung ist jedoch auch bei fahrlässiger Sachbeschädigung gegeben, s.o. bei der Verletzung des Eigentums.


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