Rechtsfragen

Gesundheit, Digitalisierung und Legal Tech

Ein Dossier

A. Entwicklung

Egal ob Schritt-Zähler-App, Online-Apotheke oder KI bei der Hautkrebsdiagnose – unser Gesundheitssystem wird durch den technischen Fortschritt massiv verändert. Das ist auch rechtlich interessant, denn zum einen ergeben sich durch die technischen Möglichkeiten auch neue Gefahren, z.B. im Bereich des Datenschutzes. Zum anderen handelt es sich bei dem Gesundheitsbereich um einen Sektor, der sich für einen Vergleich mit dem Legal-Tech-Bereich anbietet. Beide garantieren Bürgern und Bürgerinnen wichtige staatsbürgerliche Rechte – allen voran das Recht auf Leben und Gesundheit und das Recht auf rechtliches Gehör – und beide sind mitten in einer massiven digitalen Transformation.

B. Was ist eigentlich E-Health?

Wird von der Digitalisierung des Gesundheitswesens gesprochen, dann fällt frühe oder später meist der Begriff E-Health bzw. Digital Health. Dieser ist grundsätzlich weit zu verstehen, umfasst sind alle Anwendungen für Patienten und Patientinnen, die moderne Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen. Das sind zum Beispiel die elektronische Patientenakte, aber auch Gesundheits-Apps.

1. Infrastruktur

Voraussetzung für ein digitales Gesundheitswesen ist konsequenterweise einer digitalen Infrastruktur, eine sogenannte Telematikinfrastruktur. Diese wird in Deutschland von der Gesellschaft für Telematik verwaltet. Ziel ist es alle Akteure des Gesundheitswesens miteinander zu vernetzen und einen Sicheren Austausch von Informationen durch alle Beteiligten zu ermöglichen.

2. eGK und ePA und e-Rezept

Eines der großen Projekte der Digitalisierung des Gesundheitswesens ist die elektronische Patientenakte, kurz ePA. Sie ist eine versichertengeführte elektronische Akte, deren Nutzung bisher für die Versicherten freiwillig war (sogenanntes Opt-in-Verfahren). Ab 2025 wird durch das DigiG jedoch auf ein sog. Opt-Out-Verfahren umgestellt, d.h. die ePA wird für alle gesetzlich Versicherten eingeführt, die nicht aktiv widersprochen haben. Schon länger in Gebrauch, nämlich seit 2015, ist dagegen die elektronische Gesundheitskarte, die die Krankenversichertenkarte als Versicherungsnachweis ersetzt. Auf dem Chip der Karte können Stammdaten des Versicherten gespeichert werden und unter Umständen auch weitere besonders relevante medizinische Daten, wie die Blutgruppe. Überwiegend sollen medizinische Daten aber in der elektronischen Patientenakte gespeichert werden. In der ePA kann dann auch das elektronische Rezept gespeichert werden, welches das klassische Papierrezept ersetzten soll. Es kann dann in regulären Apotheken und Online-Apotheken eingelöst werden. am 9. Juni 2021 in Kraft getretenen Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) wurde das e-Rezept noch erweitert. Damit können unter anderem auch Betäubungsmittel, ambulante Krankenpflege und Verbandmittel elektronisch verordnet werden. Ziel ist es immer, einen sogenannten Medienbruch zu vermeiden, also einen Wechsel von einem digitalen System auf ein analoges System und wieder zurück. Typischerweise sind solche Schnittstellen sehr störungsanfällig und stellen auch ein erhöhtes Datenverlustrisiko dar.

3. Interoperabilität

Wer die Programme verschiedener Betriebssysteme am Computer nutz, weiß, dass diese nicht notwendigerweise immer gut aufeinander abgestimmt sind. Dasselbe gilt für im Gesundheitsbereich eingesetzte Systeme. Nutzen alle vom Patienten, über Ärzte bis zum Apotheker beispielsweise die elektronische Patientenakte besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass verschiedene Systeme genutzt werden. Es ist daher essentiell, dass alle benutzten Systeme miteinander kommunizieren können. Klarheit schafft diesbezüglich das Interoperabilitätsverzeichnis “vesta”, das Standards schaffen soll.

4. Digitale Gesundheitsanwendungen

Durch das Digitale-Versorgungs-Gesetz 2019 wurde die „App auf Rezept“ eingeführt. Apps und Software im Allgemeinen können Medizinprodukte sein, sofern ihre Funktion einen spezifischen medizinischen Zweck hat. Beispiele sind Anwendungen zum Selbstmanagement bei chronischen Krankheiten oder physiotherapeutische Übungen erklären. Nicht erfasst sind digitale Anwendungen, die nur allgemeine, nicht auf die individuelle Person abgestimmte Lifestyle-Empfehlungen geben, wozu beispielsweise grundsätzlich Schrittzähler gehören. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine solche Anwendung auch einmal auf einen individuellen Patienten zugeschnitten wird.

Voraussetzung für die Verschreibung einer digitalen Gesundheitsanwendung ist aber in jedem Fall die vorherige Prüfung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datenschutz und -sicherheit sowie das Vorliegen des Nachweises positiver Versorgungseffekte. Wird eine solche App verschrieben, dann kann dies wiederum in der elektronischen Patientenakte eingetragen werden.

5. Gesundheitsdaten

Durch digitale Gesundheitsprodukte und -anwendungen und Anwendungen werden große Mengen an Datensätzen generiert. Da Gesundheitsdaten besonders sensibel sind gehören sie gemäß Art. 9 DSGVO zu einer besonderen Kategorie personenbezogener Daten, für deren Verarbeitung erhöhte Anforderungen gelten. Gleichzeitig bieten Gesundheitsdaten eine wertvolle Grundlage für die Forschung und auch politische Maßnahmen, wie z.B. in der Pandemie. Deswegen ist diese sog. Sekundärnutzung in den vergangenen Jahren verstärkt in den Fokus gerückt. Durch das kürzlich verabschiedete GDNG (Gesundheitsdatennutzungsgesetz) sollen die Daten aus der ePA nun für medizinische Forschungs- und Entwicklungszwecke zur Verfügungen stehen, solange die betroffenen Patienten dem nicht widersprochen haben (Opt-Out-Lösung). Auch auf EU-Ebene haben sich die zuständigen Organe auf eine ähnliche Regelung geeinigt, nämlich den sog. Europäischen Gesundheitsdatenraum (kurz EHDS-VO). Neben Regelungen zum generellen Zugang zu Gesundheitsdaten zur Forschung und Versorgung, ähnlich denen des DigiG und GDNG, soll hierdurch auch der grenzüberschreitende Austausch von Gesundheitsdaten gefördert werden.

C. Chancen und Risiken

Durch die Entwicklungen im E-Health Bereich ergeben sich ähnliche Chancen und Risiken wie im Legal Tech Bereich. Zunächst einmal bieten neue, digitale Anwendungen die Chance einer besseren Versorgung. Bessere Versorgung meint dabei zum einen erfolgreicheren Behandlungsverlauf oder Prozessverlauf, aber, nicht weniger wichtig, auch einen besseren Versorgungszugang. Im Zuge des Ärztemangels in bestimmten Regionen in Deutschland ist die Telemedizin, also beispielsweise eine Online-Sprechstunde, unverzichtbar. Mehr nutzbare Gesundheitsdaten ermöglichen eine präzisere Forschung, von deren Erkenntnissen gesamtgesellschaftlich profitiert wird. Gleichzeitig besteht bei der Automatisierung von Prozessen die Gefahr, dass das Individuum zu einem bloßen Objekt wird. Insbesondere in Bereichen, in denen verschiedene Datensätze kombiniert werden können ist das Risiko besonders hoch. Ein Bereich, in dem Legal Tech und E-Health aufeinandertreffen können, sind Versicherungen. Ansprüche auf Zahlung von Behandlungen haben zumeist eine rechtliche Grundlage, deren Bearbeitung könnte also durchaus irgendwann durch einen Algorithmus erfolgen. Die Frage stellt sich, inwieweit verfügbare Versichertendaten eine Rolle spielen können und ob bestimmte Daten in Zukunft jemanden für eine Behandlung privilegieren könnten oder unterschiedlich abgerechnet werden könnten. Hier gilt es Diskriminierungen zu vermeiden. Im positiven Sinne könnten Gesundheitsdaten Versicherungen aber auch helfen ihren Mitgliedern auf sie abgestimmte Empfehlungen zu geben, beispielsweise, wann eine Vorsorgeuntersuchung ansteht. Im Rahmen des Internet of Things könnten außerdem auch medizinische Geräte kommunizieren und Behandlungen anpassen und eine ganzheitlichere Behandlung ermöglichen – passendes Stichwort ist hier „Connected Care“. Im Endeffekt können Legal Tech und E-Health helfen unerfüllte Bedürfnisse, sogenannte Unmet Legal Needs und Unmet Medical Needs, zu stillen.

D. Fazit

Hinsichtlich der digitalen Transformation ist zu unterscheiden auf welcher Stufe sie stattfindet. Die Begriffe Legal Tech und E-Health sind dabei zu unscharf. Die elektronische Kommunikation mit Gericht oder Ärztinnen mag eine Entwicklung der Digitalisierung sein, eine echte Transformation geht aber noch weiter, ein Beispiel ist die KI-basierte Früherkennung von Hautveränderungen – auch per App. Die Entwicklung geht von den Menschen unterstützender Technik hin zu Technik die so selbstständig ist, dass sie nur noch vom Menschen unterstützt wird. Das Gesundheitssystem und das Rechtssystem sind dabei zwei der bedeutendsten gesellschaftlichen Bereiche und unterliegen vielfältiger staatlicher Regelung. Will der Staat die Versorgung der Bevölkerung in diesen Bereichen sicherstellen muss er ihre digitale Entwicklung fördern – aber auch ihren Auswüchsen Einhalt gebieten. Gelingt dies, dann können gesamtgesellschaftlich fundamentale Rechte besser und effektiver wahrgenommen werden. Wie weit jedoch der Weg noch ist, zeigen die aktuellen Probleme der Einführung der "ePA für alle" (dazu ein guter und unterhaltsamer Vortrag: https://media.ccc.de/v/38c3-konnte-bisher-noch-nie-gehackt-werden-die-elektronische-patientenakte-kommt-jetzt-fr-alle)

E. Quellen und Literaturhinweise:

https://healthmanagement.org/c/hospital/issuearticle/the-ethical-and-legal-challenges-of-e-health

https://www.karrierefuehrer.de/recht/recht-und-e-health.html

https://www.lawpracticetoday.org/article/legal-innovation-healthcare-technology/

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/internationale-gesundheitspolitik/europa/europaeische-gesundheitspolitik/ehds


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